zum Hauptinhalt
Ecker

© AFP

Danny Ecker: „Es sind ein paar Mutanten unterwegs“

Danny Ecker über den Doping-Generalverdacht, freiwillige Kontrollen und den sauberen Olympiasieg.

Herr Ecker, in der Leichtathletik nimmt die Saison gerade Fahrt auf. Wie werden sich die Doping-Geständnisse der Radprofis auswirken?

Ich habe Bert Dietz bei Beckmann gesehen und war genauso schockiert wie die restliche Welt, die sich für Sport interessiert. Das ist dramatisch.

Haben diese Geständnisse Sie überrascht?

Nach allem, was man in den letzten Jahren so mitbekommen hat, wer alles schon positiv getestet wurde und wie die Leute Stellung genommen haben, dass angeblich nie einer was genommen hat, war ja klar, dass im Radsport nicht gern die Wahrheit gesprochen wird. Dass jetzt tatsächlich mal jemand auspackt und Klartext spricht, war daher überraschend.

Aber die Tatsache, dass gedopt wurde, hat Sie nicht überrascht?

Die Vermutung, dass der Radsport nicht sauber ist – und das ist ja wahrscheinlich jedem so ergangen – bestand auf jeden Fall. Aber ich will jetzt nicht dazu anstacheln, das man jede gute Leistung hinterfragt. Dass ist ja das Dilemma momentan: Die Öffentlichkeit wird dafür sensibilisiert, niemandem mehr zu trauen. Ich habe das Gefühl, jeder ist geschockt. Jan Ullrich war ein Idol für Deutschland, bei ihm ist ja jetzt noch nichts klar, aber so wie es aussieht, steckt sein ganzes Umfeld im Doping-Sumpf.

Empfinden Sie Bewunderung, wenn jemand eine Spitzenleistung vollbringt, oder stehen Zweifel im Vordergrund?

Nein, ich bin grundsätzlich begeisterungsfähig für sportliche Leistungen. Als Leistungssportler versuche ich natürlich genauer hinzugucken, um mir einen groben Überblick zu verschaffen, wie derjenige sich sportlich entwickelt hat. Dirk Nowitzki begeistert mich voll und ganz, bei ihm ist es nicht wie bei einem Sprinter, der plötzlich die 100 Meter unter zehn Sekunden läuft, obwohl er ansonsten ein 10,30-Sprinter gewesen ist. Ich finde Nowitzkis Leistungen nachvollziehbar, er ist groß und hat trotzdem eine sehr gute Feinmotorik.

Aber wie können Sie einschätzen, ob jemand seine Leistung sauber erbracht hat? Bei Erik Zabel hätte man doch auch vermutet, dass er sauber ist, oder?

Es ist schwierig, eine Linie zu finden, nach der man vorgeht. Ich versuche grundsätzlich, nicht misstrauisch zu sein. Aber das ist ja das Problem. Durch die Geständnisse der letzten Wochen werden immer mehr Leistungen hinterfragt. Da frage ich mich: Wie gut sind die Dopingkontrollen, reichen die aus, um sauberen Sport zu gewährleisten?

Trauen Sie dem Kontrollsystem?

Ich glaube schon, dass da gute Arbeit geleistet wird, dass alles gemacht wird, was möglich ist. Aber reicht das? Damals hat es ja offenbar Möglichkeiten gegeben, und ich bin mir sicher, dass man auch heute noch dopen kann, ohne erwischt zu werden. Das Kontrollsystem hinkt den Methoden immer hinterher. Wie kann man da noch glaubwürdig sein?

Was können Sie tun?

Schwierig. Ich kann mich als gläserner Athlet zur Verfügung stellen, ich versuche, mit den Doping-Kontrolleuren zusammen zu arbeiten, gewissenhaft die Regularien zu erfüllen, mich abzumelden, wenn ich von zu Hause weg bin. Ich glaube, ich habe noch keine Kontrolle verpasst und bestimmt schon 100 in meiner Karriere abgegeben. Darüber hinaus gibt es kaum Möglichkeiten.

Reicht Ihnen das, um glaubwürdig zu erscheinen?

Es ist mir wirklich wichtig, als sauberer Athlet dazustehen, deshalb hatte ich mich vor den Olympischen Spielen in Athen 2004 schon mal erkundigt, ob es über die gängigen Urinproben hinaus Möglichkeiten gibt, sich zu offenbaren, Blut abzugeben oder was weiß ich. Aber das scheint nicht so einfach zu sein, damals wurde mir gesagt, dass die Testmethoden für Blut noch gar nicht ausgefeilt genug seien, dass die Forschung noch nicht weit genug sei.

Hatten Sie vermutet, dass Doping in Deutschland so perfekt organisiert ist?

Mich hat nicht überrascht, dass die Substanzen genommen haben, die nicht nachweisbar waren. Ich glaube, dass das auch heute noch überall in der Welt stattfindet, dass Leute Medikamente nehmen, die überhaupt nicht für den Menschen zugelassen, sondern für die Pferdezucht oder so gedacht sind.

Sie glauben nicht, dass der Radsport jetzt sauber wird?

Ich würde es mir wünschen. Aber ich sehe es nicht, ich wüsste nicht, wie das umgesetzt werden sollte. Solange das Kontrollsystem hinterherhinkt, wird es auch weiter Leute geben, die dopen. Deshalb ist es für mich als Leistungssportler auch relativ müßig, mir darüber Gedanken zu machen, ob ein Konkurrent gedopt ist. Ich kann es ja nicht ändern. Also versuche ich, das Beste daraus zu machen und bin froh, dass ich in einer Sportart bin, in der ich sauber Olympiasieger werden kann. Ich bin sauber sechs Meter gesprungen, das ist eine Höhe, mit der ich Olympiasieger werden kann.

Gibt es Disziplinen, in denen es unmöglich ist, sauber zu siegen?

Das ist reine Spekulation. Ich möchte nicht sagen: Im 100-Meter-Sprint müssen alle gedopt sein, die im olympischen Finale stehen.

Aber Sie glauben, dass es so ist?

Nein, das würde ich so nicht sagen. Es gibt bestimmt Talente auf der Welt, die große Leistungen vollbringen, ohne dass sie etwas nehmen. Denen würde ich Unrecht tun.

Ist Sergej Bubka seinen Weltrekord von 6,14 Metern sauber gesprungen?

Er wurde nie erwischt. Ich bin mit Bubka groß geworden und habe ihn immer bewundert. Seine Technik und seine Erfolge sind legendär. Ich wünsche mir sehr, dass er das alles sauber erreicht hat.

Gerade haben römische Doping-Fahnder den Stabhochsprung-Weltmeister von 2003, Giuseppe Gibilisco, vorgeladen. Auch in Ihrer Disziplin scheint mit Doping etwas zu gehen.

Ich glaube nicht, dass man im Stabhochsprung zwangsläufig davon profitiert, gerade wenn man schnell viel Muskelmasse anlegt, kann das sogar kontraproduktiv sein, weil dadurch Feinmotorik verloren geht. Aber ich habe es selber nie ausprobiert und werde daher nie wissen, ob es gut ist oder nicht. Der Karriereverlauf von Gibilisco war allerdings ungewöhnlich, zuzutrauen wäre es ihm, auch damals gab es schon Gerüchte – aber auch jetzt steht ja nichts Konkretes fest.

Sie sehen aber sicher überall, wie sich Körper entwickeln.

Wenn man sich mal die DDR-Läuferinnen vor Augen führt, da hat das ganz klar zu gravierenden körperlichen Veränderungen geführt. Und da gibt es immer noch ein paar Mutanten, die unterwegs sind. Aber solange die nicht erwischt werden, können wir sie auch nicht anklagen. Kann ja sein, dass das von viel Sonne und vielen Eiweißshakes kommt. Da muss sich jeder seinen Teil denken.

Macht es Ihnen noch Spaß, Spitzensportler zu sein?

Das lasse ich mir nicht verderben. Ich gehe nach wie vor meiner Leidenschaft nach. Das frage ich mich bei den ganzen Doping-Sündern: Wie kann man das vereinbaren? Für mich ist der Leistungssport ja nicht nur, alle vier Jahre bei Olympia gut sein. Für mich ist das mein Leben, 365 Tage im Jahr, mit meinem Umfeld und all den Menschen, die meinen Alltag gestalten, mit denen ich trainiere, wir leben für ein und dieselbe Sache. Wenn ich dope, erschleiche ich mir nicht nur einen Leistungsvorteil, sondern ich betrüge meine engsten Freunde. Wie sollte ich das handhaben? Entweder ist es im Radsport so, dass wirklich jeder was nimmt, dann betrügt man ja keinen, so wie Jan Ullrich es gesagt hat, dann kann man das menschlich ja vielleicht noch nachvollziehen. Aber in anderen Bereichen, wo man nicht davon ausgehen kann, ist das für mich nicht nachvollziehbar.

Ist es nachvollziehbar, wenn alle dopen, dass man es auch tut?

Nachvollziehbar finde ich, wenn gewisse Rahmenbedingungen gegeben sind, dass es zum Doping kommt. Wenn Athleten beispielsweise aus sehr armen Verhältnissen kommen und den sozialen Aufstieg wollen oder aber, wenn eine kriminelle Gruppendynamik, wie sie im Radsport scheinbar existiert, die Hemmschwelle förmlich verschwinden lässt. Akzeptieren kann ich das aber dennoch nicht.

Das Gespräch führte Susanne Rohlfing.

Susanne Rohlfing

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false