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Doping im Radsport: Jubeln geht nicht mehr

Am Samstag beginnt die Tour de France. Ist sie noch ein Sportereignis oder ein Festival der Pharmaindustrie? Robert Ide über den veränderten Blick auf den Radsport.

Gibt es sie noch, die Tour de France? Beginnt am Samstag ein Dopingereignis oder ein Sportereignis – eines, das das Radsport-Publikum immer für das wichtigste gehalten hat? Vielleicht geht es ja um etwas anderes: den Neuanfang für eine Sportart, die dopingverseucht ist wie kaum eine zweite. Dann müsste das sauberste Team das Rennen bestimmen. Aber woher soll das Publikum wissen, welches das ist? Sicher sein kann es sich nie.

Eine Woche vor dem Tour-Start erschüttert die Enthüllung des Profis Jörg Jaksche die schon lange nicht mehr heile Radsport-Welt. Wichtiger als die Frage, wer wohl übrig bleibt von den vielen verdächtigen Favoriten auf den Tour-Sieg, wer überhaupt starten darf (Alexander Winokurow etwa, der sich häufiger mal verdächtig gemacht hat und bei Astana fährt, einem Team, das sich öfter mal verdächtig gemacht hat?) – wichtiger als all das scheint die Frage zu sein, ob die Tour diesmal eine andere ist, ob sie es sein kann. Ein Unterschied wird auf den ersten Blick nicht zu sehen sein: nicht bei den kilometerlangen Ausreißversuchen und den spektakulären Massensprints im Flachland, nicht bei der Schweiß treibenden und Nerven aufreibenden Hetzjagd Mann gegen Mann im Hochgebirge. Womöglich sind ja alle so gedopt wie immer.

Für die Medien wird es schwer, die Wahrheit hinter einem Sieg herauszufinden und zu transportieren. Auch für uns. Der öffentliche Jubel könnte unversehens anschwellen, wenn ein deutscher Profi ins Gelbe Trikot fährt und danach in jedes Mikrofon verspricht, alle Dopingtests dieser Welt über sich ergehen zu lassen. Und wäre es unfair, wenn man ihm keinen Glauben schenken würde, wenigstens ein bisschen? Wer hierauf mit Nein antwortet, stellt alle Fahrer unter Generalverdacht. Aber ein Ja fällt schwer und wirkt, mag es auch stimmen, unehrlich. Schließlich ist die jahrelange Verseuchung des Radsports mitsamt vieler Mediziner, Betreuer und Teamchefs zweifelsfrei belegt. In den Jubel einstimmen werden wir nicht.

Dem Publikum wird eine wichtige Rolle zukommen. Hört es beim Thema Doping genauer hin, schaut es einfach weg? Die Zuschauer könnten darauf achten, wie sich der Sport versucht selbst zu retten – und urteilen, ob mehr Kontrollen und Selbstverpflichtungen dafür ausreichend sind. Mehr und mehr wird Doping zum Ereignis, nicht der Sport – oder was man dafür hielt. Das ist gut, denn Doping und Radsport lassen sich schon lange nicht mehr trennen. Eigentlich ging das noch nie.

Die Tour de France 2007 wird mit anderen Augen gesehen, wie der gesamte Radsport. Wir werden sie deshalb mit anderen Worten beschreiben. Zurückhaltend. Und auf der Suche nach Indizien, die der Wahrheit nahekommen.

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