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Dopingsperre: Claudia Pechstein: Eingefroren

Für die Eisschnellläuferin bleibt als letzte Möglichkeit der Gang vor das Schweizer Bundesgericht. Ihr Verteidiger spricht von einem Interessenurteil.

Berlin - Schon der Aufschub des Urteils hatte Claudia Pechstein zuletzt so mitgenommen, dass sie nicht einmal mehr telefonieren wollte. Am Mittwoch aber musste die Eisschnellläuferin ein Gespräch annehmen. Am Apparat war ihr Anwalt Simon Bergmann, und seine Mitteilung lautete: Schuld bestätigt, Dopingsperre bestätigt, Einspruch abgewiesen. Wie sie die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs Cas aufnahm, dazu wollte Bergmann lieber keine Angaben machen. Ihre Reaktion auf das Urteil war vorformuliert, denn schon kurz nach Erhalt des Urteils waren diese Aussagen von ihr zu lesen: „Wie man mich ohne Beweis, aufgrund eines einzigen Indizes, das zudem in der Wissenschaft noch sehr umstritten ist, sperren kann, wird mir für immer unbegreiflich bleiben. Ganz gleich, wie sich die drei Richter die Entscheidung hingebogen haben.“

Frust und Zufriedenheit liegen in diesem Fall jedoch eng beieinander, Pechsteins Frust darüber, dass sie weiterhin gesperrt bleibt, dass ihre Chance auf eine Olympiateilnahme im Februar so gut wie dahin ist, dass sie auf Verfahrenskosten von geschätzten 250 000 Euro sitzen bleibt und auch noch ihren Beamtenstatus verlieren könnte. Denn Innenminister Thomas de Maizière kündigte an: „Das Disziplinarverfahren gegen Pechstein als Bundespolizistin wird wieder aufgenommen, wenn das Urteil rechtskräftig ist.“

Auf der anderen Seite jubeln Sportfunktionäre, dass der indirekte Dopingnachweis über Blutprofile nun vom höchsten Sportgericht bestätigt sei und es Betrüger künftig schwerer hätten. Es ist das erwartet heftig diskutierte Urteil geworden, auch deshalb hatte sich der Cas damit einen Monat Zeit gelassen und die Urteilsverkündung mehrfach verschoben.

Herausgekommen sind nun 63 Seiten, in denen der Cas feststellt, dass Doping die „einzige begründete Erklärung für solche abnormen Blutwerte“ ist. Pechstein habe „abnormale Werte sowohl im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung in Europa, als auch mit anderen Eisschnellläufern“. Dreimal hat sie bei der Mehrkampf-Weltmeisterschaft in Hamar im Februar den Grenzwert mit ihren jungen roten Blutkörperchen, den Retikulozyten, überschritten. Der Grenzwert liegt bei 2,4, Pechsteins Werte lagen bei 3,49, bei 3,54 und bei 3,38. Zehn Tage nach Hamar lag ihr Wert nur noch bei 1,37. Für die ISU und den Cas ist Doping mit Epo damit erwiesen. „Das zu akzeptieren, ist für mich unglaublich hart“, teilte Pechstein mit.

Genau genommen wird sie es auch nicht akzeptieren. Sie zieht vor das Schweizer Bundesgericht. Und wenn sich schon Pechsteins Erklärungen so nüchtern lasen, wirkte ihr Verteidiger umso emotionaler: „Das ist für mich ein Verstoß gegen die Unschuldvermutung. Das würde vor einem deutschen Gericht nicht durchgehen. Irgendwann wird herauskommen, dass es ein Fehlurteil ist und dann will es keiner gewesen sein.“

Bergmann zweifelte noch einmal vieles an, die Datenbasis etwa: „Die Gutachten, auf denen diese Verurteilung beruht, sind alles Gutachten aus dem Sport.“ Es handele sich um ein „Interessenurteil“. Bergmann ist daher froh, die Sportgerichtsbarkeit jetzt zu verlassen und vor ein Zivilgericht zu ziehen. Erst am Wochenende war ein deutscher Sportler vom Schweizer Bundesgericht freigesprochen worden. Der Fall des Berliner Eishockeyspielers Florian Busch lässt sich mit Pechsteins jedoch nicht vergleichen. Bei Busch ging es um juristische Zuständigkeiten, Pechsteins Verteidigung muss nun dagegen ein fahrlässiges Verhalten der ISU, grobe Verfahrensfehler oder sonst etwas Gravierendes nachweisen.

Kaum zu glauben, dass die Olympischen Spiele in Vancouver so noch zu erreichen sind. „Wie es jetzt sportlich weiter geht, kann ich nicht sagen. Keine Ahnung, ob die Qualifikation für Olympia noch möglich ist“, teilte Pechstein mit. „Zunächst haben weiterhin die Juristen das Wort.“

Es geht juristisch weiter – und sportlich nicht. Claudia Pechstein wird nun das gewohnte Umfeld verlassen müssen. Die fünfmalige Olympiasiegerin wird nicht mehr vom Berliner Olympiastützpunkt betreut, nicht mehr vom Verband gefördert. Sie bleibt alleine zurück und bekommt zu spüren, dass es der Sport zumindest manchmal sehr ernst meint mit seinem Kampf gegen Doping.

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