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Eisschnelllauf: Risiken und Nebenwirkungen

Im Eisschnelllauf winken potenzielle Sponsoren wegen des ungeklärten Falls von Claudia Pechstein erst einmal ab.

Berlin - Günter Lorms machte es kurz, eine Frage nur. „Sag mal, was ist dran an dem Fall?“ Ja, was ist dran am Fall Pechstein? Hat sie gedopt, hat sie nicht? Monique Angermüller wusste das natürlich auch nicht. Sie war in Pechsteins Trainingsgruppe, Pechstein ist ihr Idol, immer noch. Aber die Wahrheit? Die kennt auch Angermüller von den Eisbären Juniors Berlin nicht. Das erzählte sie auch Lorms, dem Chef eines Betriebs für Heizungslüftungen. „Ist gut“, antwortete Lorms, „für dich wird sich nichts ändern.“

Der Unternehmer Lorms wird weiter Sponsor der Eisschnellläuferin Angermüller bleiben, wie seit zwei Jahren schon. Alles andere wäre auch seltsam gewesen: Lorms unterstützt Angermüller ja, weil ihre Mutter seit Jahren bei ihm arbeitet. Aber Angermüller, die gerade bei den deutschen Meisterschaften die 1000 Meter gewonnen hat, besitzt auch einen Individualvertrag mit einer großen Bank. Diese Bank finanziert nicht nur diverse Athleten, sie ist auch der Hauptsponsor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Und auf dieser Ebene wird es interessant im Fall Pechstein.

Wie sehr beschädigt der Einzelfall Pechstein die Marke Eisschnelllauf, wie sensibel reagieren Sponsoren darauf?

„Es besteht immer die Gefahr, dass so ein Fall die ganze Sportart ansteckt“, sagt Frank Dittrich, der bei der DESG für Marketing zuständig ist. Der Hauptsponsor hat wahrscheinlich eine Ausstiegsklausel bei einem Dopingfall, alles andere wäre seltsam. „Aber auch ohne solch eine Klausel ist es ja normal, dass man sich nach so einem Fall zusammensetzt“, sagt Dittrich. Der Vertrag endet nach den Olympischen Winterspielen 2010, ob er verlängert wird, steht noch nicht fest. Es hängt wohl viel vom Urteil im Fall Pechstein ab. Bleibt sie gesperrt, wird wohl auch der Hauptsponsor ins Überlegen kommen. Für die DESG wäre das ein herber Verlust. Die Bank äußert sich auf Anfrage nicht zu Vertragsinhalten.

Dittrich hat der DESG auch einen Vertrag mit einem holländischen Sportartikelhersteller vermittelt. „Die Insider der Sportart wissen, dass es erstmal ein Fall Pechstein, keiner der ganzen Sportart ist“, sagt Dittrich. Die Holländer zählt er zu den Insidern. Der Vertrag endet 2010. Ein Problem sind eher die Geldgeber, die Dittrich noch nicht hat. Neusponsoren zu gewinnen „ist im Moment sehr schwer“. Finanzkrise, Konjunktureinbruch, und dann auch noch wochenlang Schlagzeilen über einen mutmaßlichen Dopingfall. Dittrich weiß nicht, wie viele Gesprächspartner speziell wegen Pechstein abgewinkt haben („So sagt einem das ja niemand“), aber er geht schon davon aus, dass der Fall eine Rolle gespielt hat.

Marian Thoms ist sich sicher. Der 35-Jährige managt seine Frau Daniela Anschütz-Thoms, die Team-Olympiasiegerin, sowie die Sprint-Weltmeisterin Jenny Wolf. „Mehrere Gesprächspartner haben wegen des Falls Pechstein abgesagt“, erzählt er. „Für die Akquise ist der Fall ärgerlich.“ Aber die Sponsoren, die er schon hat, „die haben nicht unbedingt Angst, dass durch die Diskussionen die Marke Eisschnelllauf beschädigt ist“.

Aber wie sehr die Diskussionen den Alltag der Szene beeinflussen, das hat Thoms vergangene Woche erlebt. Der 35-Jährige ist auch Geschäftsführer des Eissportclubs Erfurt, er gilt für viele mithin als Fachmann. Beim Fachmann Thoms tauchte eine verunsicherte Frau auf, in der Hand handelsübliche Hustenbonbons zum Lutschen. Sie streckte Thoms die Bonbons entgegen. „Meine Tochter ist 13 Jahre alt und im Landeskader der Eisschnellläufer“, erklärte die Mutter. „Sie hat Husten. Darf sie die Bonbons lutschen. Oder ist das schon Doping?“ Keine Ahnung, erwiderte Thoms. Er fragte einen fachkundigen Trainer. Der gab sich entspannt: Lutschen, kein Problem.

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