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Jan Ullrich und das Doping: Das Ende vom Ende

Jan Ullrich hat nach Erkenntnissen der Ermittler gedopt – aber nicht betrogen. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren wegen Betrugs ein.

Jan Ullrich muss keine Angst mehr haben, wegen einer Straftat verurteilt zu werden. Die Staatsanwaltschaft Bonn teilte gestern mit, dass sie das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Betruges gegen den zurückgetretenen einstigen deutschen Radstar eingestellt hat. Ullrich zahlt laut Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel einen „Gesamtbetrag in sechsstelliger Höhe an gemeinnützige Institutionen und die Staatskasse“. Ullrich gilt mit der Einstellung des Verfahrens als nicht vorbestraft. Er war von der Rechtsprofessorin Britta Bannenberg wegen Betrugs zum Nachteil seines damaligen Arbeitgebers T-Mobile angezeigt worden, nachdem ihn sein Team wegen mutmaßlichen Dopings bei der Tour de France 2006 entlassen hatte.

Es lohnt sich, genau hinzuschauen, wer was und wie zur Einstellung des Verfahrens zu sagen hat. „Meine Frau und ich sind froh, dass endlich ein Schlussstrich unter dieses Verfahren gezogen wurde“, heißt es in einer Verlautbarung Ullrichs auf seiner Homepage. Weiter schreibt er: „Die Zahlung ist kein Schuldeingeständnis. Ein solches hat die Staatsanwaltschaft auch nicht von mir gefordert. Ein Geständnis konnte es auch deshalb nicht geben, weil es keinen Betrogenen gibt.“ Und: „Ich habe in meiner ganzen Karriere niemanden betrogen und auch keinen geschädigt. Ich war immer ein fairer Sportler – etwas anderes wird auch niemand behaupten, der mich persönlich kennt. Meine Erfolge sind Ergebnis von harter Arbeit und der Leidenschaft für meinen Sport – und ich bin sehr stolz auf meine lange und erfolgreiche Karriere.“

Trotz erdrückender Indizien wie sichergestellter Beutel mit Ullrichs Blut und Zahlungen an den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes hat der Tour-de- France-Sieger von 1997 stets bestritten, gedopt zu haben. Eine Rolle bei der Einstellung des Verfahrens spielte nun aber laut Oberstaatsanwalt Apostel, dass ein Prozess gar nicht mehr nötig gewesen sei, um Ullrich Doping nachzuweisen. „Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben: Jan Ullrich hat gedopt“, sagte Apostel. Entscheidend für die Einstellung des Betrugsverfahrens ist aber etwas anderes. Die Staatsanwaltschaft hält dem 34-Jährigen zugute, dass Doping im Radsport quasi normal war. Sie bezieht sich auf Ullrichs Aussage, niemanden betrogen zu haben, und hält fest, dass Ullrichs Äußerungen „im subjektiven Bereich eine Grundeinstellung zeigten, die nach den Erkenntnissen im vorliegenden Verfahren sowie aus weiteren in Deutschland und im europäischen Ausland anhängigen Verfahren zur aktiven Zeit des Beschuldigten im Radsportbereich weithin vorherrschte“. Übersetzt heißt dies, dass keiner betrogen werden kann, wenn alle dopen und alle davon wissen.

Mit dem T-Mobile-Team, bei dem bis heute unklar ist, wer vom systematischen Doping mithilfe der Teamärzte wusste und wer nicht, hatte sich Ullrich schnell nach seiner Entlassung 2006 außergerichtlich geeinigt. Für die Staatsanwalt „maßgeblich“ waren neben der verbreiteten Dopingmentalität auch andere Erwägungen. Ullrich sei wegen der Ermittlungsergebnisse zum Karriereende gezwungen gewesen und hatte „einen hohen Ansehensverlust in der Bevölkerung hinzunehmen“. Zudem sei sein „einstmals herausragender Ruf als Sportler weitgehend geschädigt“. Die kriminelle Energie Ullrichs sei eher gering.

Mit der Einstellung des Betrugsverfahrens ist Ullrichs wichtigste juristische Auseinandersetzung beendet. Kaum noch etwas zu befürchten hat er wegen der sportrechtlichen Dopingermittlungen. „Wir können und wollen nichts unternehmen“, sagte Roland Richner, der Technische Direktor des Schweizer Radverbandes, dem Tagesspiegel. Ullrich fuhr mit einer Schweizer Lizenz. Da er jetzt keine mehr hat und das Dossier in Sachen Fuentes beim Weltverband UCI liegt, machten Untersuchungen keinen Sinn. Ullrich könnte sportrechtlich ohnehin nur noch als Trainer gesperrt werden.

Anhängig bleibt ein zivilrechtliches Verfahren, dass der Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke angestrengt hat, weil er sich gegen eine einstweilige Verfügung Ullrichs wehrt. Ullrich und Franke haben sich gegenseitig verklagt (siehe Interviews rechts). Franke darf nicht mehr behaupten, dass Ullrich Geld an Fuentes gezahlt hat. Zudem verzichtet Ullrich nur auf einen Teil seiner Forderungen gegen das frühere „Team Coast“, für das er 2003 gefahren ist. Der insolvente Rennstall schulde ihm noch Fahrergehälter. Coast will aber nicht zahlen, weil Ullrich damals gedopt gewesen sei.

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