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Der Glanz der Sportler soll das Prestige des Landes mehren.

© dpa

Kampf gegen Doping: Muss sich der Staat aus dem Spitzensport zurückziehen?

Die Bundesrepublik muss ihre Rolle beim Kampf gegen Doping im Spitzensport hinterfragen. Das neue Antidoping-Gesetz ist ein erster Ansatz. Doch es reicht nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Hönicke

Spitzensport ist Geschäft, und zwar ein großes. Weltweit werden damit Milliarden umgesetzt, die wichtigsten Verkäufer sind dabei die strahlenden Sporthelden. Die Schattenseiten dieses Geschäfts kommen selten ans Licht. Es gibt kaum unabhängige Instanzen, die die tatsächlichen Verhältnisse im Spitzensport durchleuchten, die Dopingbekämpfung lahmt. Der Sport, das zeigt der aktuelle Fall in der Leichtathletik, schafft es nicht allein. Kann es nicht allein schaffen, weil er in einem Interessenskonflikt steckt. Er will sein Produkt schützen.

Und der Staat? Der könnte es schaffen, die Betrüger zu entlarven. Doch er steckt meist selbst drin und folgt der Systemlogik. In Deutschland gibt er viel Geld für die Olympiabewerbung Hamburgs, gewährt großen Sportverbänden für Meisterschaften und Endspiele gern Steuerfreiheit und schießt Millionen an Steuergeld in die Spitzensportförderung – allein 153 Millionen Euro in diesem Jahr.

Thomas de Maizière fordert mehr Medaillen

Dafür will er Rendite sehen. Der Glanz der Sportler soll das Prestige des Landes mehren. Thomas de Maizière, als Bundesinnenminister für den Sport zuständig, forderte unlängst „mindestens ein Drittel mehr Medaillen“ und begründete das mit der „Tradition in beiden deutschen Staaten“ und „unserer Wirtschaftskraft“. Eine fragwürdige Argumentation, die die Dopingtradition der beiden deutschen Staaten völlig ausklammert. Und auch den Umstand, dass sich die deutschen Sportler im Kampf um die Medaillen mit mutmaßlich gedopten Athleten messen müssen. Wenn schon der oberste Dienstherr seine Schutzfunktion gegenüber den deutschen Sportlern derart geschichts- und realitätsfern einnimmt – wer soll sie dann schützen?

Der Bundesrechnungshof hat bereits angemahnt, dass das Innenministerium (BMI) mehr Distanz zum Spitzensport gewinnen müsse. Das „Beratungsmonopol“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sei fragwürdig, weil der deutsche Sportdachverband, der gemeinsam mit dem BMI die Medaillenvorgaben für Olympia erarbeitet, „nicht neutral“ sei.

Der Staat geht raus aus dem Spitzensport

Die Bundesrepublik muss ihre Rolle im Sportsystem generell hinterfragen. Darf nicht mehr wegsehen, muss nachhaken, sich ihrer Verantwortung stellen, sich der Opfer annehmen. Muss einen Diskurs darüber anstoßen, welchen Spitzensport wir überhaupt (fördern) wollen. Das neue Antidoping-Gesetz, das Dopingbesitz und -vergabe unter Strafe stellt und noch in diesem Jahr in Kraft treten soll, ist ein erster Ansatz. Doch es reicht nicht. Eine wirksame Dopingbekämpfung geht nur mit deutlich mehr Geld. Derzeit bekommt die Nationale Antidoping-Agentur gerade einmal zwei Millionen Euro vom Staat.

Andererseits: Muss der Steuerzahler eigentlich für den Betrieb eines Milliardengeschäft aufkommen? Es gibt auch eine radikalere Alternative: Der Staat geht raus aus dem Spitzensport, komplett. Gedopt würde dann sicher auch. Aber immerhin nicht mit Steuermitteln.

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