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Bei der Veranstaltung "100 Jahre deutsches Sportabzeichen" waren nicht alle so begeistert wie das DOSB-Maskottchen Timmy.

© dpa

Dopingdebatte beim DOSB: Leicht schlechtes Gewissen

Der DOSB spricht sich beim Festakt „100 Jahre Deutsches Sportabzeichen“ in Stuttgart gegen ein Dopingstrafgesetz aus, das die Sportler kriminalisiert und will stattdessen Sperren auf fünf Jahre erhöhen. Das stößt nicht nur auf Zustimmung.

Stuttgart - Als im Hegel-Saal der Stuttgarter Liederhalle der Festakt „100 Jahre Deutsches Sportabzeichen“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit bunten Filmbeiträgen stimmungsvoll dargeboten wurde, war Clemens Prokop wenig begeistert. Prokop war verärgert von der Reaktion des DOSB zum Reizthema Doping, die die Stuttgarter Zusammenkunft überschattete. Prokop warf dem DOSB und deren Präsident Thomas Bach nicht nur Halbherzigkeit vor, sondern der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) vermisste ein klares Signal, „das der Sport zum Thema Doping setzen muss“.

Clemens Prokop wollte ein klares Bekenntnis zu einer „Besitzstrafbarkeit ohne Einschränkung, die Ermittlern und Staatsanwaltschaften die Möglichkeit gibt, in den Spitzensport vorzudringen“. Das würde bedeuten, der Staat darf Athleten wegen des Einsatzes von Dopingmitteln verfolgen und nicht wie bisher nur die Sportgerichte. Dafür müsse ein neues Anti-Doping-Gesetz geschaffen werden, so Prokop.

Doch das wird der DOSB nicht fordern. Die Delegierten der Mitgliederversammlung lehnten den DLV-Antrag am Samstag mit großer Mehrheit ab und folgten stattdessen der Vorlage des DOSB-Präsidiums um Thomas Bach, die vorsieht, ertappte Sportler und Hintermänner auf getrenntem Wege anzuklagen. Sportler will der DOSB ungeachtet der Forderungen des DLV, des Tischtennis-Stars Timo Boll und der Stiftung Deutsche Sporthilfe der Sportgerichtsbarkeit überlassen. „Wir sind weiter der Meinung, dass die Besitzstrafbarkeit von geringen Mengen kontraproduktiv ist im Anti-Dopingkampf“, sagte DOSB-Generalsekretär Michael Vesper.

Sportler sollen wegen des Eigengebrauchs zwar durch Sportgerichte gesperrt werden können, aber nicht generell kriminalisiert werden. Die Kriminalisierung hält auch Professor Matthias Jahn, wissenschaftlicher Sachverständiger der Evaluierungskommission der Bundesregierung, für verfassungsrechtlich bedenklich. Eigengebrauch, so die Argumentation der Experten, läge im Verantwortungsbereich des Einzelnen, was den Handel und die Weitergabe nicht einschließe. Dass die DOSB-Funktionäre angesichts der Kritik, das Thema Doping zu lasch zu behandeln, ein schlechtes Gewissen plagte, lässt der kurz vor der Versammlung eingebrachte eigene Antrag vermuten. Der wurde am Ende beschlossen und sieht unter anderem vor, eine Erhöhung der Höchststrafe für Dopingvergehen von drei auf fünf Jahre und weitere Schwerpunktstaatsanwaltschaften zu fordern. Der kurzfristige „Gegen-Antrag“ werfe kein gutes Licht auf den DOSB, so Prokop: „Eine erweiterte strafrechtliche Verfolgung von Einzeltätern ergäbe mehr Möglichkeiten, die auch die Sportgerichtsbarkeit stärken.“ Dem schloss sich Katja Mühlbauer von der Schwerpunktstaatsanwaltschaft München an.

„Die Leichtathletik hat in der gesamtdeutschen Betrachtung beim Thema Doping schwere Schuld auf sich geladen, deshalb ergibt sich für uns eine besondere Verantwortung“, sagte Prokop. „Der Antrag des DOSB geht nicht an die entscheidenden Punkte. In der Argumentation des DOSB sei ein „logischer Bruch“ – man könne nicht kleine Fische anders verfolgen als große. DOSB-Präsident Thomas Bach lehnt das ab und meint: „Wir reden über alles, was die Arbeitsteilung von Sport und Staat nicht gefährdet.“

Vor der Versammlung hatte der DOSB auf die Dopingdebatte mit der Empfehlung an seine Landesverbände reagiert, nicht mehr mit Ärzten zusammenzuarbeiten, die im Verdacht stehen, Dopingmittel zu verabreichen. Die Ärzte sollen auch nicht mehr für Olympia nominiert werden. Clemens Prokop ist das nicht genug: „Wir kämpfen weiter.“ Oliver Trust

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