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Er eilt nicht zur Hilfe. Wimbledon-Sieger Michael Stich wurde als Anwärter auf den DTB-Chefposten gehandelt, er tritt am Sonntag aber wohl doch nicht an. Foto: dpa

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Sport: Dornröschen schläft

Der Deutsche Tennis-Bund wählt nach rauem Wahlkampf einen Präsidenten. Der Sieger muss die Frage lösen: Wie wird der Sport wieder attraktiver?

Berlin - Da ist die Geschichte mit den 20 Cent. Jedes erwachsene Mitglied des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) soll jährlich 20 Cent mehr bezahlen. Darüber wird bei der Mitgliederversammlung des DTB am Wochenende in Berlin abgestimmt. 1,5 Millionen Mitglieder hat der DTB, es käme also etwas zusammen. Stimmt schon, sagt Gottfried Schumann, Präsident des Landesverbands Niedersachsen, „aber damit kann man gerade mal die aktuellen Löcher stopfen. Dem Verband fehlt Geld an allen Ecken und Kanten.“

Oder die Geschichte mit der Männer-Weltrangliste. Platz 22: Florian Mayer. Platz 50: Philipp Kohlschreiber. Das sind die derzeit besten deutschen Spieler. Schumann fallen noch die Turniere ein, die es in Deutschland nicht mehr gibt, Sponsoren, die genervt abwinkten, Medien, die Tennis kaum noch beachten. Das alles bündelt er in dem Satz: „Ich stelle mir das Management des DTB-Präsidiums anders vor, als ich es sehe.“

Und weil sechs andere Landes-Präsidenten ähnlich denken, läuft gerade im DTB ein rau geführter Macht- und Wahlkampf. Entschieden wird er am Sonntag. Entweder bleibt Georg von Waldenfels Präsident des DTB, wie seit 1999 schon, oder der Investmentbanker und Quereinsteiger Karl Georg Altenburg wird sein Nachfolger. Michael Stich kursierte auch mal als Kandidat, von Waldenfels hatte den Wimbledon-Sieger ins Spiel gebracht. „Für ihn würde ich meine Kandidatur sofort zurückziehen“, sagte er. Aber Stich will nicht antreten. Der DTB-Chef hatte eigentlich schon vor Monaten seinen Rücktritt angekündigt. Er tritt nur wieder an, um Altenburg zu verhindern. Er hält nicht viel von dem Deutschlandchef von JP Morgan. Der DTB dürfe keine Abteilung von JP Morgan werden, hatte er einmal gesagt.

Die Macht bei der Wahl des DTB-Chefs liegt bei den 18 Landesfürsten, nur sie bestimmen den Präsidenten. Je mehr Mitglieder ein Landesverband hat, umso größer sein Stimmenpaket. Nur sieben Landesverbände wollen für Altenburg votieren, aber sie haben 66 von 111 Stimmen. Kurz vor der Abstimmung wird sogar über eine Reform des Wahlverfahrens gesprochen, die kleine Verbände aufwertet. Dahinter stecke von Waldenfels, wird vermutet. Der Amtsinhaber will außerdem die Beitragserhöhung von 20 Cent durchsetzen. Scheitern diese Vorhaben, zieht er seine Kandidatur möglicherweise noch zurück.

Langjähriger Funktionär gegen Quereinsteiger, das ist auch ein Kampf um die richtige Strategie. Altenburg will einen hauptamtlichen Geschäftsführer im DTB installieren. Dessen Gehalt sollen Sponsoren finanzieren, die Altenburg akquirieren will. „Er hat ein Netzwerk“, sagt Schumann, „er kann Türen in Unternehmen aufstoßen, denen man dann auch Konzepte vorlegen kann.“ Außerdem kenne der Investmentbanker moderne Marketingmaßnahmen. „Wir liegen im Dornröschenschlaf. Wir brauchen jemanden, der uns wachküsst.“

Von Waldenfels will weiter eine rein ehrenamtliche Führung, ein bezahlter Geschäftsführer sei viel zu teuer, aber er steht mit dem Rücken zur Wand. Fast ein wenig verzweifelt reklamiert er die jüngsten Erfolge im deutschen Frauentennis für seine Führungsmannschaft: „Der Aufschwung unserer Damen ist letztlich ein Produkt unserer Leistungsförderung.“

Waldenfels, fünf Jahre lang bayerischer Finanzminister, in rustikalen Wahlkämpfen erprobt, stichelt gegen seinen Konkurrenten: „Er verkennt die Realität.“ Sponsoren zu finden, sei nicht so leicht: „Ich habe mich auch um Sponsoren bemüht und war Finanzminister und Vorstand eines Dax-Unternehmens. Manchmal gibt es Menschen, die ihre Erfahrungen besonders gut verkaufen und Leute, die besonders gerne daran glauben.“ Und mit sarkastischem Unterton fügt er hinzu: „Ist doch toll, wenn Herr Altenburg als Präsident gewählt wird und dann ganz große Sponsoren zur Tür hereinkommen.“

Das ist der Umgangston in diesem Duell; mehrere Landespräsidenten, sagt Schumann, hätten deshalb den DTB-Chef in einem Brief aufgefordert, die Spielregeln eines fairen Wahlkampfs einzuhalten. Und was die Sponsoren betrifft, da vertraut Schumann dem 48-jährigen Altenburg. Schumann hatte bis Sommer 2011 eine Task Force des DTB geleitet, die Vorschläge für eine mutmaßlich bessere Zukunft des DTB ausgearbeitet hat. In dieser Arbeitsgruppe saß auch Altenburg. Dort fiel er Schumann als „Teamplayer“ und Ideengeber auf.

Beim bisherigen DTB-Präsidium vermisst Schumann Selbstkritik. „In den letzten sechs Jahren habe ich nie erlebt, dass man sich zusammengesetzt und überlegt hat, was man falsch gemacht hat.“

Er erinnert er sich an eine weitere Geschichte. 2008 spielten im Finale am Hamburger Rothenbaum Rafael Nadal und Roger Federer, die Besten der Branche also. „Der NDR übertrug live“, sagt er. „Aber mitten im dritten Satz stieg der NDR aus der Übertragung aus.“ Als er davon erfuhr, stöhnte Schumann gequält: „Oh Gott, so weit sind wir also gekommen.“

Nadal gewann 2:1, wenigstens Schumann bekam das Endergebnis mit. Er saß auf der Tribüne.

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