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Sport: Dortmund wird Schalke

Vor dem Derby tauschen die Rivalen ihre Rollen

Dortmund – Bei Borussia Dortmund hat Bescheidenheit Einzug gehalten. Wie das Budget, so hat auch das Buffet gelitten. Die Brötchenplatte für die Reporter vor dem Spiel ist gestrichen, sogar vor dem 126. Derby gegen den Ruhrgebietsrivalen Schalke 04. Ersparnis: achtzig Euro in der Woche. Reporter, die den früheren Deutschen Meister regelmäßig begleiten, erwägen, Brot und Butter für ein zweites Frühstück im Westfalenstadion künftig selbst mitzubringen, als kleinen Beitrag zur Sanierung des hoch verschuldeten Bundesligaklubs. Die Zeiten haben sich geändert, nicht nur am Buffet. Sogar Dede, der größte aller Optimisten im Team, schraubt seine Ansprüche zurück. „Sonst habe ich vor jeder Saison geglaubt, Dortmund wird Meister“, sagt er. „Diesmal bin ich ein bisschen vorsichtiger, unser Ziel sollte es sein, einen internationalen Wettbewerb zu erreichen.“ Das haben früher die Schalker gesagt.

Im Fußballrevier ist ein Paradigmenwechsel im Gange. Der Erzrivale aus Gelsenkirchen nimmt mit einer teuren Mannschaft die Verfolgung des FC Bayern auf. Die Dortmunder hingegen sind froh, überhaupt noch dabei sein zu können. „Wir standen im Frühjahr vor der Wahl, den Spielbetrieb zum 30. Juni einzustellen oder mit schmalem Budget weiterzukämpfen“, sagt der neue Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, „es ist ein Geschenk, dass hier in Dortmund noch Fußball gespielt wird.“

Die Geschichte wiederholt sich, nur umgekehrt. Einst stand Schalke vor der Pleite, und Dortmund schickte sich an, die Bayern zu jagen. Nun ist Schalke der große Investor, und Dortmund muss sich gesundschrumpfen. „Wir brauchen noch ein paar Jahre, bis wir wieder normal investieren können“, sagt der niederländische Fußballlehrer Bert van Marwijk. Neben Dede sind ihm aus der Zeit des Geldausgebens Stars wie Koller, Rosicky und Wörns geblieben. Diese Spieler im Klub zu halten, könnte die Basis für den erhofften Aufschwung sein. Weil es an Geld fehlt, wollen die Dortmunder mit Mannschaftsgeist den Qualitätsverlust ausgleichen – wie vormals die Schalker.

Die Fans ziehen mit. Trotz der Rezession hat der Börsenklub 45000 Dauerkarten verkauft und sich wenigstens in dieser Tabelle abermals an die Spitze der Bundesliga gesetzt. „Dortmund ist keine Schickimickistadt, unseren Fans braucht man nicht jedes Jahr drei Topstars zu präsentieren“, sagt Watzke. „Hier im Ruhrgebiet zählt ehrliche Arbeit, dafür haben unsere Anhänger ein gutes Gespür.“ Auch dieser Satz könnte aus dem Fundus des ungeliebten Nachbarn 40 Kilometer westwärts stammen.

Der wirtschaftliche Niedergang bildet den Nährboden für die Talente. Vor dem Derby drehte sich in Dortmund fast alles um Nuri Sahin, den jüngsten Bundesligaspieler aller Zeiten, der vor einer Woche debütierte, gegen Schalke wegen einer Zerrung voraussichtlich aber nicht spielen kann. Der 16-Jährige ließ sich dazu verführen, populistisch gegen Gelsenkirchen zu votieren. Er möge diesen Klub nicht und habe nicht die Absicht, je das königsblaue Trikot zu tragen, sagte er. Es folgten ein Interviewverbot der Vereinsführung und die Verlautbarung, der junge Mann habe niemanden beleidigen wollen. Vor dem Derby ist Dortmund um Deeskalation bemüht, zumal als „leichter Außenseiter“, wie Kapitän Christian Wörns es formuliert. Wie gesagt, so bescheiden war man bei Borussia lange nicht mehr.

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