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Freund der Masse. Jürgen Klopp hat Publikumslieblinge verkauft, nun ist er selbst einer - wie schon in Mainz.

© Reuters

Dortmunds Höhenflug: Jürgen Klopp: Der Kumpel, der ein Macher ist

Jürgen Klopp hat wie in Mainz nun auch in Dortmund aus jungen Spielern eine Mannschaft geformt, die begeisternd und inzwischen auch erfolgreich spielt.

Eigentlich hätte Jürgen Klopp blendender Laune sein müssen, und im Grunde war er das auch. Soeben hatten seine Spieler den Aufsteiger aus Kaiserslautern mit 5:0 (2:0) abgefertigt und dabei ein grandioses Spiel abgeliefert. Wie schon Tage zuvor beim epochalen Derbysieg auf Schalke. Und so schritt Klopp beschwingt vom Rasen des Dortmunder Stadions. Doch noch bevor er den Innenraum erreicht hatte, stellte jemand eine Frage, die dem 43-Jährigen ganz und gar nicht behagt: Was denn möglich sei für die junge Mannschaft, jetzt, nachdem der BVB in den neun Pflichtspielen dieser Spielzeit acht Siege abgeliefert hat und bis auf Rang zwei der Tabelle geklettert ist. Wenn Klopp mit diesem Thema konfrontiert wird und dann auch noch das Attribut Meisterschaftskandidat fällt, reagiert er widerborstig. „Freunde der Sonne“, grantelte Klopp und schaute genervt nach oben, „geht mir damit nicht auf den Sack.“

Auch später wurde darüber gesprochen, dass die ebenso junge wie ambitionierte Dortmunder Mannschaft mit jedem Sieg näher an den Kreis der Klubs rückt, die als Titelanwärter eingestuft werden. „Diese Katalogisierung interessiert mich nicht“, verkündete Klopp. Was er mit seiner Blockadetaktik bezweckt, liegt auf der Hand. Seine jungen Spieler sollen sich mit nichts befassen außer ihren Auftritten auf dem Fußballplatz.

Derzeit, so scheint es, gelingt es Klopp, jegliche Störgeräusche von seiner Mannschaft fernzuhalten. Die Perspektiven sind glänzend, und nach den Spielen beim Aufsteiger St. Pauli und gegen den FC Sevilla und Bayern München wird es seriösere Anhaltspunkte dafür geben, was der BVB in dieser Spielzeit bewirken kann. Klopps Aufgabe wird es sein, der Mannschaft die nötige Bodenhaftung zu verleihen, ohne sie der mitreißenden Draufgänger-Attitüde zu berauben. Diese Begeisterung, das haben die Spiele gegen Schalke und Kaiserslautern gezeigt, kann Berge versetzen. Oder, wie es der derzeit überragend aufspielende Nuri Sahin formulierte, als es darum ging, die Stärken des BVB zu benennen: „Einstellung, Wille und Spaß am Fußball. Wir wollen immer Gas geben, und das kann man sehen. In jedem Spiel.“

Die Worte hätten eins zu eins aus dem Munde von Jürgen Klopp kommen können. Der Mann, der in Mainz groß wurde, setzt in Dortmund konsequent seinen Weg fort, mit jungen, hungrigen Spielern zu arbeiten. Dabei weiß er mit Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zwei an seiner Seite, die diese Philosophie ohne Wenn und Aber mittragen. Mit allen Chancen, aber auch mit allen Risiken. Wobei derzeit nur die Stärken zum Tragen kommen.

Klopp bestreitet mit dem BVB seine dritte Saison, seine Personalpolitik ist ebenso stringent wie nachvollziehbar. Komischerweise gilt dieser Mann in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer als Kumpeltyp, de facto ist er jedoch ein absolut konsequenter Macher. Spieler, die nicht in sein Anforderungsprofil passen, haben bei ihm keine Zukunft. Die Publikumslieblinge Alexander Frei, Mladen Petric oder Nelson Valdez spielen längst in anderen Klubs. Dafür sind neue Kräfte gekommen, die Klopps Vorstellung von Fußball umsetzen. In der vergangenen Saison reichte das für einen beachtlichen Platz fünf. „Auch da haben wir schon guten Fußball gespielt, sind aber komischerweise auf unsere läuferische Stärke reduziert worden“, sagt Klopp.

Das dürfte nun nicht mehr passieren, weil der BVB eine für jeden offensichtliche spielerische Klasse besitzt. Zum einen, weil die Spieler auf ihrem Weg zu gestandenen Profis eine Saison weiter sind. Zum anderen aber auch, weil das läuferisch und taktisch ohnehin schon starke Ensemble durch neue Kräfte wie Shinji Kagawa, Mario Götze oder Robert Lewandowski spürbar an spielerischer Qualität gewonnen hat. Und die bringt das Team derzeit mit einer Lust auf den Rasen, die ansteckend ist.

Auch das ist die Handschrift des Energiebündels Klopp, der noch immer jeden Treffer zu feiern weiß, als habe er selbst gerade den Ball versenkt. Nach der Gala gegen Kaiserslautern war der Trainer regelrecht verzückt. „Wenn du siehst, wie die Spieler in der 88. Minute volle Kanne durchgehen, um auch noch das fünf zu null zu machen, dann zeigt das die Mentalität dieser Mannschaft.“ Da drängt sich die Frage geradezu auf, ob die neue Generation beim BVB trotz ihrer Jugend ein Kandidat für den Platz an der Sonne ist. Aber wenn Sie einen gemütlichen Abend haben wollen, hüten Sie sich davor, Jürgen Klopp mit diesem Exkurs zu belästigen.

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