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Spaniens Nummer eins. Fuentes arbeitete mehr als 20 Jahre im Spitzensport.

© AFP

Dosierte Wahrheit: Prozess gegen Dopingarzt Fuentes beginnt

In Spanien beginnt der Prozess gegen den Dopingarzt Eufemiano Fuentes. Dabei konzentriert sich alles auf seine Rolle im Radsport, mögliche Kunden aus anderen Sportarten müssen wohl nichts befürchten.

Die Dopingaufarbeitung schreitet voran. Zumindest im Radsport. Lance Armstrong ist endlich entthront, hat Doping selbst eingestanden und wurde zuletzt gar mit einer Klage wegen Lügen in seiner Autobiografie bedacht – „Das ist nicht Nonfiction“, behaupten die Anzeigeerstatter. Nun gerät beim heute in Madrid beginnenden Prozess vor allem die langjährige Konkurrenz des Amerikaners in den Blickpunkt.

Gleich drei Profis, denen Armstrong seinerzeit den Toutriumph verwehrt hatte, gehörten zu den Kunden des angeklagten Arztes Eufemiano Fuentes: Jan Ullrich, Ivan Basso und Joseba Beloki. Rein sportlich müsste man Fuentes daher als die Nummer zwei im weltweiten Dopinggeschäft hinter dem Armstrong-Guru Michele Ferrari einordnen. Tatsächlich aber war Fuentes die Nummer eins.

Sein Kundenkreis im Radsport allein dürfte größer sein als der von Ferrari. 58 Radprofis wurden anhand von Blutbeuteln, Medikationsplänen und abgehörten Telefonaten bei der „Operacion Puerto“ von der Guardia Civil als Fuentes’ Klienten der Jahre 2002 bis 2006 identifiziert. Die Staatsanwaltschaft Padua, die gegen Ferrari ermittelt, ordnet diesem pro Saison 20 bis 30 betreute Sportler zu, meist ebenfalls Radprofis. Fuentes soll im Ermittlungszeitraum insgesamt aber sogar 200 Leistungssportler versorgt haben, darunter auch Tennisspieler, Fußballer, Leichtathleten und Schwimmer.

Er selbst gab im Juni 2006 in einem viel beachteten Interview mit dem spanischen Radiosender „Cadena Ser“ zu: „Ich habe auch mit Fußballern, Tennisspielern und Leichtathleten gearbeitet. Es sind gar nicht alle Namen bekannt geworden.“ Fuentes zog diese Aussage später zurück und gab an, Todesdrohungen erhalten zu haben. Die Aktivitäten des Dopingarztes außerhalb des Radsports offenzulegen, liegt offenbar ohnehin nicht im Interesse der spanischen Justiz. Vor allem der Fußball genießt wohl besonderen Schutz, obwohl Fuentes in der Untersuchungshaft davon gesprochen haben soll, auch Kontakt zur Fußballprofis gehabt zu haben.

Fuentes’ originäre Leistung war die Industrialisierung des Dopings

Eine Klärung in dieser Frage ist im Prozess kaum zu erwarten. Es seien gar nicht alle 135 aufgefundenen Blutbeutel und 71 Beutel mit Blutplasma identifiziert worden, sagte ein Anklagevertreter in Madrid dem Tagesspiegel. „Wir werden Fuentes nach anderen Klienten fragen“, versprach er wenigstens. So liegt es aber an Fuentes selbst, ob der gesamte spanische Sport ein Beben erleben wird. Sein Wirken reicht jedenfalls weit zurück. 1992 war der Arzt aus Gran Canaria oberster medizinischer Betreuer der spanischen Olympiamannschaft. Vor Olympia 2008, also zwei Jahre nach seiner spektakulären Festnahme, wurde er nach Aussage des Leichtathletiktrainers Manuel Pascua vom spanischen Verband erneut für diese Aufgabe angefragt.

„Eufemiano hat das aber abgelehnt“, erzählt Pascua bei einem in einem Sportrestaurant in Pozuelo bei Madrid dem Tagesspiegel. Pascua, ein weißbärtiger älterer Herr, war Trainer des jungen Hürdenläufers Eufemiano Fuentes. Er hat auch dessen Anfänge als Sportmediziner aus nächster Nähe verfolgt. Fuentes’ mittlerweile geschiedene Ehefrau Cristina Perez, 1988 Olympiateilnehmerin über 400 Meter Hürden, war eine Athletin Pascuas. Als Sportler sei Fuentes „nicht talentiert“ gewesen, als Arzt aber „mit einem sehr wachen Geist ausgestattet“, erinnert er sich an den einstigen Schützling. Nach Anfängen als Gynäkologe habe Fuentes bereits in den 1980er Jahren auf Reisen nach Leipzig und Köln, in die USA und nach Italien „das Dopingwissen aus Ost und West zusammengetragen“, erzählt Pascua weiter.

Fuentes’ originäre Leistung war die Industrialisierung des Dopings mit Hilfe der Blutgefriermaschinen von Haemonetics. Das Eingefrieren der Blutbeutel ermöglicht längere Haltbarkeitszyklen als die drei bis vier Wochen, nach deren Ablauf die Doper zuvor die Beutel erneuern mussten. Beim Kühlprozess war es den Ermittlungen zufolge aber zu Engpässen beim Frostschutzmittel Glycerin gekommen. Die hektischen Beschaffungsaktivitäten, unter anderem auch über den damals in Bad Sachsa niedergelassenen Mediziner Markus Choina, hatten nicht nur die Festnahmen im Mai 2006 mitausgelöst. Probleme in der Kühlkette will die Anklage auch als Beleg für eine Gesundheitsgefährdung der Sportler nutzen. Stimmt das Gericht zu, drohen Fuentes zwei Jahre Gefängnis und ebenso langes Berufsverbot.

Ein Urteil wird für den April oder Mai 2013 erwartet. Bei einer wahrscheinlichen Berufung könnte die letzte Instanz Ende des Jahres entschieden haben. Sportprozesse und daraus möglicherweise folgende Sperren und Bestenlistenkorrekturen sind erst ab 2014 zu erwarten. Dann jedoch werden wohl viele Plätze hinter Lance Armstrong geweißt werden müssen.

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