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Jewgeni Pluschenko.

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Dr. Dollas Diagnose (141): Die Krux mit dem Rücken

Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pluschenko denkt nach seiner 13. Rückenoperation über die Fortsetzung seiner Karriere nach. Wann ist eine Bandscheibenoperation ratsam und wann der Einsatz einer künstlichen Bandscheibe?

Der zweimalige Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pluschenko hat nach einer schweren Rückenoperation eine Fortsetzung seiner Karriere nicht ausgeschlossen. Bei einer Operation vor wenigen Tagen ist ihm die künstliche Bandscheibe fixiert worden. Eine von vier Schrauben war im Februar während der Olympischen Winterspiele gebrochen. Statt der Schrauben wurde nun eine Platte eingesetzt. „Mir wurde garantiert, dass diese Bolzen 35 Jahre lang halten werden, man kann also laufen und springen“, sagte Pluschenko. Er hat bereits 13 Operationen hinter sich. Wann ist eine Bandscheibenoperation ratsam und wann der Einsatz einer künstlichen Bandscheibe?

Die Bandscheibe liegt als knorplige Verbindung zwischen den Wirbelkörpern und sorgt dadurch auch für die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Bandscheiben bestehen aus einem Gallertkern (Nucleus pulposus) und einen Faserring (Anulus fibrosus). Der Gallertkern wirkt durch seinem hohen Wassergehalt wie ein Puffer. Wird am Tage Druck auf die Bandscheibe ausgeübt, kommt es zum Flüssigkeitsverlust. Dadurch wird der Mensch bis zu drei Zentimeter kleiner. Beim Liegen in der Nacht saugt sich dann die Bandscheibe wieder mit Flüssigkeit voll. Dieser Druckwechsel ist für den Stoffwechsel, also für die Ernährung der Bandscheibe, notwendig. Bei einem Bandscheibenvorfall kann die Therapie konservativ oder operativ sein. Bei der operativen Therapie wird häufig eine Nukleotomie durchgeführt. Dabei werden Bandscheibenanteile aus dem Rückenmarkskanal (Spinalkanal) entfernt. Die Folge kann eine vermehrte Beweglichkeit in diesem Wirbelsäulenabschnitt sein. Auch eine Wirbelversteifung (Spondylodese) ist eine Standardtherapie. Dabei werden mit Knochentransplantaten, Metalllatten und Schrauben die nebeneinanderliegenden Wirbelkörper verbunden.

Dr. Thorsten Dolla.
Dr. Thorsten Dolla.

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Eine künstliche Bandscheibe ist eine Prothese, die zwischen zwei Wirbelkörpern implantiert wird. Damit soll auch die Beweglichkeit im Wirbelsegment erhalten werden. Da die künstlichen Bandscheiben sich erst seit ungefähr zehn Jahren in der medizinischen Anwendung befinden, sind Studienergebnisse über mehrere Jahrzehnte noch nicht möglich. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass die Ergebnisse nach einigen Jahren nicht schlechter sind als nach einer Wirbelsäulenversteifung. Bei Osteoporose und Instabilität der Wirbelsäule wird ein künstlicher Bandscheibenersatz nicht empfohlen. Untersuchungen zeigen, dass sich die Zahl der Operationen, bei denen der Arzt Bandscheibenmaterial entfernt und zusätzlich noch die Wirbel versteift, wesentlich erhöht hat. Es gibt Ärzte, die 50 Prozent aller Bandscheibenoperationen für überflüssig halten. In Deutschland werden von Jahr zu Jahr mehr Magnetresonanztomografien (MRT) an der Wirbelsäule durchgeführt. Die Untersuchungen zeigen degenerative Veränderungen und auch vorgewölbte Bandscheiben. Mit zunehmendem Alter ist dies aber eine normale Entwicklung. Eine Studie mit 98 beschwerdefreien Frauen und Männern zeigten, dass 64 Prozent der Untersuchten vorgewölbte Bandscheiben hatten.

Die Indikation für eine operative Versorgung wird in der Regel nach einer klinischen Untersuchung gestellt und nicht durch eine Kernspintomografie. Wird zu einer Operation geraten, würde ich immer eine zweite ärztliche Meinung einholen. Viele Operationen an der Wirbelsäule könnten vermieden werden, wenn die Patienten mehr Geduld hätten und eine konservative Therapie durchführen würden.

Der Berliner Orthopäde Dr. Thorsten Dolla, 50, ist seit vielen Jahren in der Sportmedizin tätig. Er war Mannschaftsarzt bei Hertha BSC, beim 1. FC Union, den Berlin Capitals und dem Footballteam Berlin Thunder. Beim ISTAF war er bis 2009 leitender Arzt und ist heute Ringarzt beim Boxen. Für Tagesspiegel.de schreibt er regelmäßig über Sportverletzungen und ihre Folgen. Alle Folgen können Sie hier nachlesen. Wenn Sie selbst eine Frage zu einer Sportverletzung an Dr. Dolla haben, schicken Sie uns bitte eine Mail an sport@tagesspiegel.de.

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