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Einer der drei Zauberer. LeBron James zeigt seinen Lieblingstrick vor dem Spiel. Foto: AFP

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Sport: Drei gewinnt

Die NBA startet – alles blickt auf Miamis Superstar-Trio

LeBron James gestikuliert, dirigiert seine Mitspieler in Position, er wartet, bis die letzten Sekunden des ersten Viertels herunterticken, um dann selbst fast mit der Schlusssirene einen fulminanten Dunk im Korb zu versenken. Die Aktion versetzt die American Airlines Arena in einen Zustand der Entzückung. Die über zwei Monate ohne Basketball angestaute Spannung entlädt sich im begeisterten Jubel der Fans der Miami Heat. Das Vorbereitungsspiel gegen die Detroit Pistons ist eigentlich ein belangloses Aufeinandertreffen, ein Freundschaftsspiel. Und trotzdem hat Miami endlos lang auf diesen Moment gewartet: Es ist der erste gemeinsame Auftritt der großen Drei: LeBron James, 25 Jahre alt, Chris Bosh, 26, und Dwyane Wade, 28. Wade hatte seine Freunde nach Miami gelockt, um den Titel zu holen – eine einmalige konzertierte Aktion. Über den Sommer haben die Medien jede noch so kleine Notiz akribisch niedergeschrieben. „LeBrons Freundin mag Miami nicht“, „Bosh kauft sich ein Haus in der Nähe von Wade“, „LeBron gibt die 23 auf und wird nun die Nummer 6 tragen“, lauteten die Schlagzeilen. Jetzt geht es um den Sport.

Kurz vor dem Spiel in den Schlangen vor der Arena ist auf den meisten Kinderrücken eine große 6 zu sehen – die Nummer von LeBron James. Wer kein Shirt oder Trikot hat, steht in der langen Schlange vor dem wiedereröffneten Fanshop. Das Spiel ist nicht ausverkauft, aber die Ränge sind für die sogenannte Preseason überdurchschnittlich gut gefüllt. Für die Saisonspiele der Heat dürften bezahlbare Karten schwer zu bekommen sein. Drei Wochen nachdem James seinen Wechsel nach Miami angekündigt hatte, feuerte der Klub alle Angestellten im Saisonkartenverkauf. Es waren einfach keine Tickets mehr zu verkaufen.

Einige Tage vor dem ersten Preseason-Spiel warten die Journalisten auf die Ankunft der großen Drei beim „Media Day“. 24 TV-Kameras sind auf das Podium mit den drei Mikrofonen gerichtet, Reporter aus allen Teilen der USA angereist. ESPN überträgt live – dreieinhalb Stunden lang. Die Nachrichtensendung SportsCenter hat ihr Podium direkt auf dem Court in der Halle nebenan aufgebaut, in der sonst das Team der University of Miami spielt. „Alles ist ungefähr fünfmal größer als im letzten Jahr“, sagt Michael Wallace, der für den „Miami Herald“ über die Heat berichtet. „Der Hype ist riesig“, sagt Jalen Rose, einer der drei ESPN-Experten. Zusammen mit seinen Kollegen beleuchtet er die Saison aus jedem Blickwinkel, sie widmen sich Fragen wie diesen: „Wie passen James, Bosh und Wade zusammen? Ist diese Ansammlung von Stars gut oder schlecht für die Liga? Werden sie gleich in der ersten Saison den Titel holen? Und was passiert, wenn sich einer der drei verletzt?“ Auch wenn es beim „Media Day“ nicht mehr als ein paar Zitate und einige gestellte Bilder von den Spielern zu sehen gibt, haben sich 265 Journalisten akkreditiert. „Einen solchen Rummel hat es seit Jordan in den 90ern nicht mehr gegeben“, sagt Rose. Damals war er selbst noch aktiver NBA-Spieler.

LeBron James sitzt zusammen mit Dwyane Wade und Chris Bosh auf dem Podium und spricht über jene Ära, in der die Chicago Bulls mit Michael Jordan, Scottie Pippen und Dennis Rodman 72 von 82 Saisonspielen gewannen. Er spricht von den Celtics um Larry Bird und den Lakers mit Magic Johnson. „Sie haben den Weg für Leute wie mich geebnet“, sagt James und streichelt sich dabei über seine muskulösen, von oben bis unten tätowierten Arme. Er wirkt ein wenig gelangweilt. Ob es in dieser Saison einzig um „Titel oder Pleite“ gehe, fragt ein Journalist. LeBron schüttelt den Kopf. „Nein, Pleite nicht. Aber es wird der Titel.“ James’ Antworten kommen stets etwas gelangweilt daher. Die meisten Fragen hat er schon hundert Mal beantwortet.

Dwyane Wade ist da schon lockerer. Er flachst und genießt es sichtlich, von Bosh und James eingerahmt zu werden. Endlich ist er nicht mehr der einzige Führungsspieler, auf dem alle Hoffnungen lasten. Als sein Mikrofon ausfällt, schieben ihm die beiden anderen ihre Mikros von links und rechts zu. Es ist die Geste des Tages: Die drei arbeiten als Team. Die Symbolik ist für viele Journalisten der Aufmacher ihrer Story. Doch wie die drei auf dem Feld zusammenpassen, ist ein paar Tage vor dem Start der regulären Saison noch unklar. Gegen Detroit zerrte sich Wade gleich im ersten Viertel den Oberschenkel, für den Rest der Preseason fiel er aus. Viel Zeit sich auf dem Parkett einzuspielen, hatte das Trio also nicht. Erst am Dienstag zum Saisonauftakt gegen die Boston Celtics werden „die drei Könige“, wie Bosh, James und Wade auf den Werbeplakaten in Miami genannt werden, wohl wieder gemeinsam auf dem Feld stehen.

Auch wenn die Celtics ein Finalteilnehmer des Vorjahres sind: Die Blicke der Experten sind auf die Heat gerichtet. Alles andere als eine fulminante Saison und der Einzug in das NBA-Finale wären für Spieler, Fans und Experten eine Enttäuschung – auch wenn die meisten Teams ein oder zwei Jahre Zeit brauchen, um zu harmonieren. Die Trainer sind zuversichtlich. Auf jedem der roten Ledersofas in der Kabine lag vor dem Spiel gegen Detroit ein Zettel für die Spieler: „Achtung, Bauarbeiten – auf der Straße zum Erfolg.“

Henning Engelage[Miami]

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