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Sport: Drei Minuten in der Hölle

Boxer Markus Beyer steht in der letzten Runde vor dem K.o. – und verteidigt doch seinen WM-Titel

Markus Beyer ist keiner, der an den Ringpfosten hochspringt, die Fäuste in die Höhe reißt und das Bad in der jubelnden Menge sucht. Ein mildes Lächeln im Lorbeerkranz – das war auch schon der ganze Freudenausbruch nach einem knisternden Kampf. Markus Beyer, der stille Genießer. Wahrscheinlich ging dem alten und neuen Boxweltmeister im Supermittelgewicht (WBC) in diesem Moment noch das Drama der letzten Runde durch den Kopf, als mit einem Schlag des australischen Draufgängers Danny Green plötzlich noch der K.o. gedroht hatte.

Die flehentliche Ermahnung seines besorgten Trainers Uli Wegner vor den letzten drei Minuten, „mein Junge, jetzt keine Konzentrationsschwäche“, muss Markus Beyer noch im Ohr gehabt haben, als Greens Rechte voll an seinem Kinn einschlug. Der Titelverteidiger taumelte schwer angeschlagen seitlich in die Seile. Sein Peiniger stürzte sich auf ihn und stolperte über ihn. Nun hingen beide zwischen den Seilen. Ringrichter Laurence Cole (USA) sah einen klaren Niederschlag und zählte. Punktabzug. Und Green ging nun aufs Ganze.

Für Wegner waren diese drei Minuten „die Hölle“. Beyer geriet in ärgste Bedrängnis. „Er hat mich hart getroffen. Das darf nicht passieren. Mein Fehler“, gestand der Boxer. „Ich musste nur noch flüchten, um das Ding über die Runde zu bringen. Wenn ich verloren hätte, wäre das heute mein letzter Kampf gewesen“, räumte der Sachse nach seinem 32.Sieg im 34. Kampf ein.

Die Urteile der Punktrichter waren so eng wie der Kampf: Barrovecchio (Italien) 114:114, Hongtongkam (Thailand) 114:113, Denkin (USA) 115:112. Danny Green, der sich im August 2003 durch die Disqualifikation noch betrogen gefühlt hatte, akzeptierte diesmal die Niederlage mit Ritterlichkeit und Respekt. Mit kalten Augen, schmalen Lippen und todernstem Gesicht haderte der Australier nur mit sich selbst: „Markus war diesmal der bessere Mann. Er hat bewiesen, dass er ein großer Champion ist. Es war nicht meine Nacht. Meine Schläge gingen nicht los.“

Rechtsausleger Beyer erinnerte wie zu Beginn seiner drei Weltmeisterschaften vor fünf Jahren wieder an den spektakulären Konterstil von Bubi Scholz: Kompakt in seiner Deckung, beweglich auf den Beinen und in seinen Ausweichmanövern, präzise mit seinen Schlägen aus der Defensive. Mehrmals flog Greens Mundschutz durch den Ring. Fast perfekt demonstrierte Beyer gegen den aggressiven Angreifer die hohe Kunst des Leberhakens und konnte nur über die Zähigkeit und Härte staunen, mit denen der 31-jährige Green diese linken Treffer auf die empfindlichste Körperstelle verdaute. „Mit dieser Leistung“, fand Beyer schließlich, „kann ich noch ein paar Kämpfe machen.“

Hartmut Scherzer[Zwickau]

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