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Sport: Druck auf den Beinen

Den WM-Star gibt es noch nicht. In der Vorrunde siegten meist die Teams mit dem höchsten Einsatz – deshalb sind Frankreich und Italien ausgeschieden

Kann jemand sagen, wer eigentlich der WM-Star ist? Es ist normal, dass sich diese Frage, wie viele andere auch, nach der Vorrunde einer Weltmeisterschaft nicht eindeutig beantworten lässt. Auch nicht die nach der Qualität eines solchen Turniers, das seine bleibenden Eindrücke stets erst mit den K.o.-Runden entwickelt. Erinnerungen an große Vorrundenspiele der Vergangenheit haben wohl die wenigsten. Man erinnert sich eher an das Ausscheiden von Favoriten, und so wird es auch dieses Mal sein. Der Weltmeister und der Vize-Weltmeister sind draußen. Aus zum Teil sehr unterschiedlichen Gründen, wenn man daran denkt, warum die Franzosen weit davon entfernt waren, eine Mannschaft zu sein. Zum Teil sind die Gründe aber auch gleich. Sie heißen Behäbigkeit, Bräsigkeit und das Sicherheitsgefühl, das aus langjähriger Dominanz entsteht; Frankreich und Italien zeigten und verkörperten ein altes Europa im schlechten Sinne. Die Italiener haben sich darauf verlassen, dass es so wie immer klappen wird, und beinahe hätte ja 30 Minuten engagierter Fußball gegen die Slowakei auch dafür gereicht. Am Ende fehlte nur ein zu Unrecht aberkanntes Tor, das passiert aber nicht nur schlechten Schiedsrichtern. Für viele Fußballfans hatte es das langweilige Italien auch verdient. Sie sind mit dieser WM bislang ohnehin unzufrieden.

Die Kritik setzte nicht nur bei den Zuschauern bereits ein, bevor die ersten Gruppenspiele beendet waren. Zu wenig Chancen, zu wenig Tore, und wenn welche mit diesem komischen Ball fielen, dann durch Torwartfehler. Auch unterhaltsam, aber das Fußballherz letztlich nicht befriedigend. Der deutsche Dribbler Marko Marin befand, dass es „noch keine so richtig schönen Spiele gegeben hat“. Schon hieß es, mit Ausnahme der Deutschen selbst, beim 4:0 gegen Australien, spielten jetzt alle Mannschaften ergebnisorientiert deutsch, selbst die Niederländer. Zwar habe es Spaß gemacht, Nordkorea und Neuseeland zu gucken, sagte der niederländische Mittelfeldspieler Wesley Sneijder. „Dabei habe ich aber festgestellt, dass das Niveau in der Champions League höher ist als bei der WM.“

Das liegt zum einen natürlich daran, dass die besten Klubmannschaften eine Weltauswahl stellen, ohne auf Nationalitäten zu achten. Zum anderen hat es aber damit zu tun, dass es leichter ist, das Spiel des Gegners zu zerstören als ein organisiertes Angriffsspiel aufzubauen. Dazu bedarf es selbst in einem Klub mindestens so vieler Monate, wie zum Beispiel der Trainer Louis van Gaal beim FC Bayern in der vergangenen Saison gebraucht hat. Eine WM-Vorbereitung der auch sonst nur punktuell zusammenkommenden Nationalmannschaften ist dafür zu kurz. Und für die Ausnahmekönner wird es immer schwieriger, in einer nicht strukturierten Offensive zu glänzen. Denn verteidigen kann heute nahezu jeder, in dieser Hinsicht gibt es wirklich fast keine Kleinen mehr.

Die Spieler der angreifenden Mannschaft haben immer weniger Zeit und Raum für ihre Aktionen, der ihnen mit viel Einsatz und Willen genommen wird. Argentinien und Brasilien haben große Klasse, aber die anderen südamerikanischen Mannschaften aus Mexiko, Uruguay und auch Chile haben bei diesem Turnier gezeigt, worauf es in Zukunft noch mehr als in Vergangenheit ankommen wird: Leidenschaft und Willen auf der Grundlage einer guten technischen und taktischen Ausbildung einzubringen. So sind auch die zwei der drei asiatischen Vertreter (Südkorea und Japan) weitergekommen. Bei allem Warten auf mehr spielerische Highlights: Diese WM ist bisher eine WM des großen Engagements, deshalb sind auch Frankreich und Italien nicht mehr dabei.

Und tatsächlich wirkten auch die afrikanischen Mannschaften bei der ersten WM auf ihrem Kontinent eher gehemmt als engagiert und schieden bis auf Ghana kollektiv aus. „Ich denke, die afrikanischen Mannschaften haben sich zu sehr unter Druck gesetzt“, sagt der ivorische Nationalspieler Salomon Kalou. „Es war nicht zu übersehen, dass viele Spieler den hohen Erwartungen bei diesem Turnier einfach nicht standhalten konnten.“ Der gute alte Druck spielt also auch noch eine Rolle. Der wächst ab dem Achtelfinale sowieso für alle, gerade nach einem Gegentor. Dann wird endlich gestürmt.

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