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Sport: „Druck? – Da muss ich lachen“

Fredi Bobic über sein neues Image, die Lust an der Provokation, sein Verhältnis zu Trainer Stevens und die Ziele von Hertha BSC

Herr Bobic, Sebastian Deisler hat einmal gesagt: Als ich nach Berlin kam, war mein Image längst da. Bei Ihnen ist es genauso. Die Stadt wartet fast darauf, dass Sie Stunk machen.

Und? Soll ich jetzt irgendeinen Spruch raushauen, damit bei Hertha Theater ist? Ich stell mich doch nicht als Neuer hin und erzähl irgendeinen Schmu.

In Ihrer Zeit beim VfB Stuttgart waren Sie aufmüpfiger.

Da war ich jünger. Damals habe ich mich mit unglaublich vielen Leuten angelegt. Aber das hat man auch von mir erwartet. Wir waren elf Durchgeknallte, und ich war der Anführer. Inzwischen weiß ich, dass ich dadurch viel Kraft verschwendet habe, weil ich mich in viel zu viele Dinge eingemischt habe.

Zum Beispiel?

Die Streitereien mit MV …

… dem damaligen VfBPräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder.

Der war ein ausgewiesener Politprofi, und trotzdem habe ich mich immer wieder mit ihm angelegt. Er hat gezwickt, und ich habe zurückgeblafft. Tagelang ging das sinnlos hin und her. Und immer über die Zeitung.

Hat das Ihr Verhältnis dauerhaft belastet?

Überhaupt nicht. Am Ende haben wir uns wieder gern gehabt. Ich habe mich auch immer gern mit MV gestritten. Da kam jedes Mal was Produktives bei raus. Trotzdem würde ich das heute ganz anders machen.

Sie haben sich verändert.

Ich bin ruhiger und überlegter geworden, einfach gelassener. Ich setze mich nicht mehr so unter Druck. Das ist lockere Routine .

Routine ist für einen Fußballer gefährlich.

Die wird nur gefährlich, falls ich überheblich werde und die Bodenhaftung verliere. Aber ich habe gar keine Lust, die Bodenhaftung zu verlieren. Fliegen kann ich nicht.

Woher kommt Ihre Gelassenheit?

Wichtig war das halbe Jahr in England. Da hatte ich meine Ruhe, konnte einfach nur Fußball spielen. Ich musste mit niemandem reden, keine Interviews geben. Nach den Spielen bin ich an den Reportern vorbeigelaufen und habe gesagt: My English is not so good, sorry! Dabei konnte ich das sehr gut.

So ruhig wird es in Berlin nicht werden. Hat es schon geknallt mit Huub Stevens?

In der Vorbereitung? Wieso sollte es?

Stevens kann auch im Training ganz schön laut werden.

Das stimmt. Der ist nicht auf die Zunge gefallen. Aber du kannst ihm auch alles sagen. Das gefällt mir. Er hat seine Linie, von der weicht er nicht ab. An seinen harten Humor muss man sich allerdings gewöhnen. Am Anfang habe ich ein bisschen geschmunzelt. Aber im Vergleich zu England ist das alles harmlos. Wenn der Trainer da mal richtig heißgelaufen ist, war „Fucking“ noch das Bravste, was er gesagt hat. In Deutschland hätten einige Spieler geheult.

Herthas Manager Hoeneß lobt Ihren starken Charakter. Sind die Kollegen nicht distanziert, wenn man Liebling der Vereinsführung ist?

Das habe ich nicht gespürt. Die Kollegen waren alle sehr offen. Nach zwei Tagen habe ich gesagt: Integrationsprozess abgeschlossen.

Das passt zu Ihrem neuen Image: Fredi Bobic ist jetzt überall beliebt.

Komisch, nicht? Lange bist du nichts, und dann wird deine Person plötzlich überall glorifiziert. Als ich in Berlin mit Hannover gegen Hertha gespielt habe, haben die Leute nicht mal versucht, mich zu provozieren. Dabei brauche ich das, so was stachelt mich an. Da muss ich wieder hinkommen.

Das wird schwer. Für „Bild“ sind Sie schon fast beliebter als der Regierende Bürgermeister.

Ach, da schmunzelt man drüber. Früher wurde ich ganz anders betitelt. In Dortmund war ich der Ladenhüter, der da immer noch rumhängt.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum sich Ihr Image gewandelt hat?

Schwer zu sagen, vielleicht weil ich immer den geraden Weg gegangen bin. Ich habe es immer so gemacht, wie ich es wollte: Mal hab ich provoziert, mal war ich ruhig, die ganze Palette. Aber ich habe immer versucht, ein Original zu bleiben.

In Dortmund galten Sie als Abzocker.

Das war eine schwierige Zeit. Vor allem, weil ich nicht begriffen habe, wieso. Ich habe doch gar nichts gemacht: Ich habe keinen Stress gemacht. Ich habe nur nicht gespielt.

Manche Spieler haben wahrscheinlich nur darauf gewartet, dass der vorlaute Bobic mal ein bisschen ruhiger wird.

Das ist ja der Witz: Mein Standing in der Mannschaft war gut.

Keiner hat versucht, Ihre Schwäche auszunutzen?

Nein. Das hätte ich mir auch nicht gefallen lassen. Dafür bin ich eine zu starke Persönlichkeit. Es traut sich auch kaum einer, die Konfrontation unter vier Augen einzugehen. Davor haben viele Angst.

Und wenn man Sie doch angreift?

Dann beiß ich zu. Das ist mein Überlebensinstinkt.

War es auch ein Überlebensinstinkt, nach Hannover zu gehen?

Bevor das Angebot kam, habe ich gedacht: Ich spiele nie mehr in der Bundesliga.

Letzte Rettung Hannover?

Ich weiß, was ich Hannover zu verdanken habe. Dass der angebliche Abzocker freiwillig zum sicheren Absteiger geht, hat den Umkehrschwung in der öffentlichen Meinung ja ausgelöst. Da haben viele gedacht: Boah, der hat sich durchgebissen. Er hat nicht gejammert und seine letzte Chance genutzt.

Dann war es aber sehr undankbar, Hannover zu verlassen.

Was heißt undankbar? Wir haben uns gegenseitig gebraucht. Und wir haben uns gegenseitig geholfen. Wissen Sie, wie das am Anfang war? Freitags vor unserem Spiel saßen zwölf Leute im Hotel vor dem Fernseher und haben Zweite Liga geguckt. So was geht nicht! Ich habe nichts gegen die Zweite Liga. Aber du musstest den Spielern erst mal klarmachen: Hey, ihr spielt in der Bundesliga! Die waren noch gar nicht in der Liga angekommen.

Wie viele haben am Ende noch geguckt?

Drei oder vier. Es wurden immer weniger. Das sind so Kleinigkeiten. Wie in München.

Was war da?

Wir haben bei den Bayern 3:3 gespielt. Als ich dann in die Kabine komme, freuen sich alle. Ich habe vor Wut eine Flasche an die Wand geworfen. Wir hätten gewinnen müssen. Die anderen haben wahrscheinlich gedacht: ,Spinnt der?’ Aber du musst diese Zufriedenheit aus den Köpfen bekommen.

Sind Sie deshalb nach Berlin gekommen?

Innerlich habe ich das Gefühl gehabt: Ich muss mich verändern.

Bei Hertha werden Sie es mit anderen Erwartungen zu tun haben als in Hannover.

Ja, ja, ich weiß. In Berlin ist der Druck brutal. Da muss ich lachen. Spiel mal gegen den Abstieg! Dann weißt du, was Druck ist. Wenn du absteigst, sind zehn Leute aus der Geschäftsstelle ihre Jobs los. Bei denen geht es wirklich um die Existenz.

In Berlin werden die Hoffnungen vor allem am Torjäger Fredi Bobic festgemacht.

Ich bin kein Messias. Die Mannschaft hat sich die Champions League zum Ziel gesetzt. Das ist mutig. Aber ich bin von der Mannschaft überzeugt. Deshalb werde ich auch nicht sagen: Oh, ich krieg’ jetzt das Riesennervenflattern, hoffentlich geht alles gut.

Sie stehen nicht unter dem inneren Zwang, Torschützenkönig zu werden?

Ich war schon Torschützenkönig, ich muss das nicht mehr werden. Ich muss auch nicht in jedem Spiel ein Tor schießen – Hauptsache, wir gewinnen. Als ich in Stuttgart Torschützenkönig war, sind wir Zehnter geworden. Das war auch Scheiße. Da kannst du nur mit dir selbst feiern.

Es gibt zumindest eine Trophäe.

Ja, damit spielen jetzt meine Kinder. Die Kanone fliegt bei uns im Wohnzimmer rum und ist in drei Einzelteile zerlegt.

Das Gespräch führten André Görke

und Stefan Hermanns.

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