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Sport: Druck machen ohne Druck

Hertha BSC muss heute gegen Gladbach gewinnen – das ist nicht nur für Marko Rehmer eine Kopfsache

Von Michael Rosentritt

Berlin. Beide kommen durch die Hintertür. Huub Stevens mit einem Drei-Tage-Bart, Dieter Hoeneß ganz in Schwarz gekleidet. Vielleicht sind diese Äußerlichkeiten rein zufällig. Aber wenn es noch eines Zeichens bedurft hätte, um die augenblickliche Situation bei Hertha BSC zu charakterisieren, dann ist die Wahl nicht schlecht. Wie Dieter Hoeneß wohl mit einem Drei-Tage-Bart aussehen würde? Nein, derzeit ist Ernsthaftigkeit angesagt beim Berliner Bundesligisten, dem, um es mal so zu sagen, kein ganz optimaler Start ins neue Fußballjahr gelungen ist.

Vier Pflichtspiele sind absolviert. Keines davon konnte Hertha gewinnen. Beim Regionalligisten Holstein Kiel wurde vor wenigen Tagen sogar verloren. Das war zwar im Pokalwettbewerb, trug aber auch nicht gerade zum Ausbruch grenzenloser Heiterkeit auf der Geschäftsstelle des Vereins bei, wo sie doch ganz bewusst einen Trainer verpflichtet haben, der zuletzt zweimal in Folge den Pokal gewonnen hat. Nein, das hatten sich die Herren Hoeneß, der Manager, und Stevens, der Trainer, ganz anders vorgestellt. Vielleicht dachten beide schon mal heimlich an Berti Vogts, der mit seinen Schotten kürzlich das Kunststück fertig brachte, auf den Färöern nur unentschieden zu spielen. Während die schottische Nationalmannschaft nicht so schnell die Gelegenheit hat, den angerichteten Imageschaden zu korrigieren, bietet sich Hertha heute Abend eine erste Gelegenheit. Im Olympiastadion erwartet der gastgebende Tabellenneunte ab 20 Uhr den Tabellenachten, Borussia Mönchengladbach. „Es müssen drei Punkte her, alles andere ist nicht von Belang“, sagt Hoeneß, der mit ernster Miene versichert, „diese Botschaft ist bei den Spielern angekommen.“

Irgendetwas muss ja passieren, jetzt, in dieser Situation, die Hoeneß mit „nicht gerade unbeschwert“ umschreibt. Er sei sich sicher, dass die Mannschaft „die Zeit genutzt hat, um die richtigen Schlüsse zu ziehen“. Welche das im Detail sind, mag Hoeneß „lieber intern“ lassen. Allerdings lässt er sich entlocken, ob und inwiefern die Vereinsführung nachgeholfen hat beim Ziehen der Schlüsse. Manager und Trainer hätten an den Spaß der Spieler, an deren Verpflichtung ihrer hauptberuflichen Tätigkeit und den Fans gegenüber appelliert. „Die Spieler müssen diese Verpflichtung fühlen. Mit Druck gewinnt man keine Spiele“, sagt Hoeneß.

Huub Stevens nickt. Die Spieler seien gefordert. „Wer auf welcher Position spielt, sagt nichts“, sagt der Niederländer. „Wer verletzt ist, interessiert mich auch nicht.“ Elf Spieler werde man in jedem Fall auf den Platz „in den Kampf mit Gladbach“ schicken. Von den vielen Verletzungen, über die mancher Spieler klagt, will Huub Stevens nichts hören. Nur Josip Simunic und Andreas Schmidt, die wirklich schwer verletzt sind, seien entschuldigt. „Im Einzelfall müssen wir vielleicht ein Risiko eingehen“, sagt Stevens. Und dieses Mal nickt Hoeneß.

Jetzt gehe es darum, entsprechende Signale aus der Mannschaft zu bekommen. „Nun ist der eine oder andere Spieler gefragt, über einen bestimmten Punkt mal hinwegzugehen. Und genau das ist vielleicht der einzige Vorteil an einer solchen Situation“, sagt Dieter Hoeneß.

Ein Signal dieser Qualität sendete gestern Marko Rehmer. Der Nationalspieler hatte aus Kiel zwei Platzwunden im Gesicht mitgebracht, die geklammert worden waren. Gestern sagte er: „Kein Problem mehr, ich beiße mich durch.“

So kurz vor diesem wichtigen Spiel ringen Hoeneß und Stevens bemüht um Normalität und Gelassenheit. „Wir haben noch genug Zeit, die Plätze zu erreichen, die wir uns vorstellen“, sagt der Manager. „Aber keiner will mehr Zeit verlieren.“

Stevens Aufgabe war es in den zurückliegenden Tagen, Mittel zu finden, die das Potenzial der Mannschaft freizulegen. Pausenlos kreuz und quer zu schlagen, bringe nichts. In den Gesprächen mit den Spielern setzte die sportliche Führung auf Authentizität. „Es ging darum, sie am Nerv zu erreichen, da, wo man bestimmte Dinge freisetzen kann“, sagt Hoeneß.

Wer den Manager reden hört, könnte meinen, allein die Niederlage neulich im Pokal, habe bei ihm gleich einen ganzen Nervenstrang getroffen. Bei dieser Gelegenheit knöpfte er sich die Mannschaft vor, mal wieder etwas Grundsätzliches zu sagen, ohne alles gleich wieder in Frage zu stellen. Die Mannschaft hätte schon oft genug bewiesen, dass sie mit solchen Situationen umzugehen weiß.

Fünf vor Zwölf sei es bei Hertha noch lange nicht. Solche Diskussionen kenne Hoeneß in Berlin zur Genüge, „sie langweilen, nein, sie ermüden mich langsam“, sagt er. Weshalb auch die Frage nach dem „Was wäre, wenn Hertha BSC gegen Mönchengladbach verliert?“ nicht so gut bei ihm ankommt. Da jetzt Fernsehkameras auf ihn gerichtet sind, deren Scheinwerfer das Schwarz seiner Garderobe ausleuchten, möchte er doch ganz gern antworten. „Wissen Sie, keiner von Ihnen kommt und fragt mich was ist, wenn wir das Spiel gegen Gladbach gewinnen.“ Dabei muss Dieter Hoeneß selber ein wenig schmunzeln.

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