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Sport: „Du Hund kommst nicht davon los“

Die Hamburger Hiphopper von Fettes Brot haben den Fußballsong für die neue Saison geschrieben: „Fußball ist immer noch wichtig“

Zugegeben, wir sind ein wenig überrascht, Hattet Ihr denn jemals echte Zweifel daran, dass Fußball noch wichtig ist?

KÖNIG BORIS: Das Gefühl, enttäuscht zu sein von seiner Mannschaft und genervt vom Kommerz – das kann schon dazu führen, dass man sagt: „Leckt mich doch alle, ich will mit dem Scheiß nichts mehr zu tun haben.“ Und das kann ich als St. Pauli-Fan durchaus nachvollziehen.

BJÖRN BETON: Da gibt es auch wieder Parallelen zum Hiphop, der genauso durch den Kommerz gefährdet ist. Da habe ich auch manchmal gedacht: Macht doch alleine weiter. Ich such’ mir was anderes.

DR. RENZ: Aber sowohl beim Fußball als auch beim Hiphop ist genau das die Herausforderung – zu sagen: „Wir geben nicht auf! Wir wollen diese tolle Idee weiterentwickeln!“

Und weil das so ist, singt Ihr nun über Fußball?

DR. RENZ: Den Satz „Fußball ist immer noch wichtig“ hat uns Anfang 2005 Bela B. ins Ohr geraunt. Dieser Satz hat sich dann mit einer Geschichte verkoppelt, die ich mal gehört hatte. Sie handelte von einem Mann, der seine St. Pauli-Dauerkarte zurückgeben wollte. Diese Geschichte fand ich so faszinierend und so unglaubwürdig zugleich. „Du Hund!“, hab ich gedacht. „Du schaffst es doch eh nicht! Du kommst nicht davon los!“

Eure schwärzeste Stunde als Fans?

KÖNIG BORIS: Da gab es einige! Als Pauli-Fan ist man ja leidgeprüft (lacht).

DR. RENZ: Das finde ich an St. Pauli auch so toll, dass dieses Auf und Ab eher ein Gleichnis fürs Leben ist, anders als beim HSV, der immer in der Bundesliga spielt. Und dann hat man ab und zu auch noch so unverhoffte Euphorie-Erlebnisse wie letztes Jahr bei den Siegen gegen Bremen und Hertha.

Der FC St. Pauli wird gerne als Gegenentwurf zum überbordenden Kommerz verklärt. Sponsoren gibt es an der Reeperbahn allerdings auch reichlich. Ein gefährdetes Idyll?

KÖNIG BORIS: Ja, es wird auch so kommen. Das Freundschaftsspiel kürzlich zwischen Pauli und Trinidad & Tobago zum Beispiel war so totgesponsert, dass ich bei mir dachte: „Mein Gott, so müssen sich die Leute in anderen Stadien fühlen!“ Aber zum Glück steht bei Pauli der Fußball immer noch im Vordergrund.

BJÖRN BETON: Wir als Band können davon auch ein Lied singen. Wenn man nach einer weniger erfolgreichen Zeit wieder Erfolg hat, wie zuletzt mit „Emanuela“, dann ist man für die verschiedensten Business-Deals interessant. Dann kommt es darauf an zu entscheiden, was uns entspricht und wo wir sagen müssen: „Hier ist Feierabend!“ Das gleiche Gefühl habe ich für meinen Verein. Ich wünsche mir, dass die Verantwortlichen sorgsam und wachsam sind.

DR. RENZ: Es ist wichtig, die Leidenschaft der Fans und das finanzielle Interesse des Vereins miteinander zu vereinbaren.

Die Weltmeisterschaft in Deutschland scheint Euch zu widerlegen. Ein komplett durchkommerzialisiertes Turnier, das trotzdem eine einzige große Party der Fans wurde.

KÖNIG BORIS: Ich würde eher sagen: Trotz des Sponsoren-Terrors haben die Fans sich das Ereignis nicht mies machen lassen.

BJÖRN BETON: Ich habe selbst irgendwann angefangen, den Coca-Cola-Song mitzupfeifen (lacht). Man nimmt den Kommerz einfach hin, und das ist doch der Beweis: Fußball ist immer noch wichtig!

Ist man nicht ohnehin gezwungen, sich mit dem Kommerz zu arrangieren? Oder wird der Kommerz irgendwann wieder weniger?

KÖNIG BORIS: Nein, bestimmt nicht. Aber es gibt graduelle Unterschiede. Wenn man sich anschaut, was Borussia Dortmund gemacht hat, kann man nur sagen: „Seele verkauft! Schlimmer geht’s nicht!“ Und dann gibt es solche Vereine wie Werder Bremen, die machen das ganz geschickt. Da heißt das Weserstadion immer noch Weserstadion. Die halten den Ball flach und machen trotzdem ihre Deals. Es gibt schon erträgliche und weniger erträgliche Arten des Kommerzes.

BJÖRN BETON: Das ist eine gefühlte Grenze. Man muss immer wieder von Neuem darüber nachdenken und es bewerten.

DR. RENZ: Es geht um die Identität. Für einen Verein genauso wie für uns als Band. Wenn Jägermeister uns eine sechsstellige Summe bieten würde, damit wir unser Studio in „Jägermeister-Studio“ umbenennen – ich glaube, wir würden’s machen (alle lachen).

„Fußball ist immer noch wichtig“ ist ein Trostsong für alle Geschlagenen und Ausgeschiedenen, also das perfekte Lied für den ausgebrannten Klinsi.

KÖNIG BORIS: Unser Song ist längerfristig angelegt. Den kannst du auch hören, wenn du als Bochum-Fan mal wieder abgestiegen bist. Der Song ist da, wenn man ihn braucht.

An einer Stelle heißt es: „Wir glauben an dich, Fußball.“ Klingt beinahe religiös.

KÖNIG BORIS: Er hat ähnliche Züge. Der Verein ist das Angebetete, der Spieltag ist die Messe – und der Schiedsrichter ist der Pastor (lacht). Aber ob Fußball selbst nun eine Religion ist? Ich glaube, das ist mir zu einfach. Es ist eine Qualität, diese Emotionen, die man im Stadion sieht, überhaupt zuzulassen. Das hat etwas Lustvolles. Und das ist es, was Fußball ausmacht.

DR. RENZ: Vielleicht ist Fußball eine archaische Vorstufe von Religion – gemischt mit Erotik (lacht).

Eure frühesten Erinnerungen an den archaischen Kult?

BJÖRN BETON: Wenn mein Vater Fußball gespielt hat, haben mein Bruder und ich hinterm Zaun auf die Torwand geschossen – und danach ab in die stinkige Umkleide und zum Schluss in die stinkige Kneipe. Da durfte ich mir für 50 Pfennig Lieder an der Jukebox aussuchen und warten, bis mein Vater sein Bierchen ausgetrunken hatte.

DR. RENZ: Ich war nie im Verein. Aber mehrere Sommer hindurch haben wir im Käfig verbracht und versucht, uns gegen die Älteren zu beweisen. Einmal haben wir sogar eine Petition beim Bürgermeister eingereicht, damit der Zaun erhöht wird. Der war nämlich nur vier Meter hoch, und gleich dahinter verliefen die Bahngleise. Mein Ball war billig und aus Plastik und ist einmal unter den D-Zug geraten. Danach war er total schief, aber wir haben trotzdem mit ihm weitergespielt.

Abgesehen davon, dass man auf dem Bolzplatz hin und wieder nette Leute trifft: Was macht denn nun für Euch die Faszination am Fußball aus?

KÖNIG BORIS: Eigentlich ist Fußball ein einfach strukturiertes Spiel: zwei Mannschaften, ein Ball und das Ziel, den Ball im Tor des Gegners unterzubringen. Ich glaube, die Faszination ist, mit vielen verschiedenen Menschen ein Gefühl zu teilen.

BJÖRN BETON: Das kann man mit einem Rockkonzert oder so etwas gar nicht vergleichen. Da spürt man nie diesen Schmerz oder diese Enttäuschung wie bei einem Fußballspiel. Man hört auch nie dieses gemeinschaftliche „Oooooooh!“ Schließlich gibt es ja auch keinen Feind, den man schlagen muss. Beim Fußball schon.

Gibt es denn eine Band, mit der Ihr Euch gern mal auf dem Bolzplatz duellieren würdet?

KÖNIG BORIS: Wir haben schon mal gegen die Sportfreunde Stiller und gegen die Far East Band gespielt. Aber die hassen wir beide nicht. Gegen Leute zu spielen, die man hasst, ist auch keine gute Idee. Das kann zu bösen Verletzungen auf beiden Seiten führen.

Hand aufs Herz: Habt Ihr Euch auf dem Spielfeld noch nie zu einer Tätlichkeit hinreißen lassen?

DR. RENZ: Aus vollem Lauf jemandem in die Beine zu treten... (überlegt) Ich habe das neulich auf der Bühne mal bei Boris ausprobiert – und es hat Spaß gemacht!

KÖNIG BORIS: Das hast du auch richtig gut hinbekommen (lacht)!

Viele Fußballprofis ziehen sich gern Gangster-Rap rein. Kann das gut sein?

BJÖRN BETON: Es ist nicht die Frage, ob das gut für Fußballer ist, sondern ob es für irgendwen gut ist (lacht)!

DR. RENZ: Es wäre wichtig, wenn sich jemand in der Mannschaft um die richtige Musik kümmern würde. Dass Gerald Asamoah als „DJ Asa“ das jetzt in der Nationalmannschaft übernommen hat, ist schon ganz gut. Aber der legt ja immer „Dieser Weg“ von Xavier Naidoo auf. Ich würde was vorschlagen, was ein bisschen mehr pusht.

BJÖRN BETON: Deshalb singen wir auch „Karma Karma Karma Chameleon“ vor unseren Shows (lacht).

Das Gespräch führte Dirk Gieselmann.

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