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Sport: Dünn fliegt besser

Chefarzt des deutschen Olympiateams: Nicht jeder Skispringer muss gleich magersüchtig sein

Berlin (aka). In der Boulevardpresse haben sie vorsorglich schon mal „die Hungertabelle“ der Skispringer abgedruckt, um die aktuelle Diskussion über Ernährungsdefizite zu bereichern. Der Laie musste entsetzt sein, wenn er las: „Sven Hannawald, 1,85 m, 63 kg.“ Die „Bild“Zeitung hatte sich für die Hungertheorie noch Hans Braun vom Olympia-Stützpunkt Köln als Experten besorgt und mit den Worten zitiert: „Wer über einen längeren Zeitraum zu wenig Gewicht hat, hat einen Mangel in vielen Bereichen. Das geht zu Lasten der Gesundheit.“ So weit, so allgemein.

Der Chefarzt des deutschen Olympiateams, Wilfried Kindermann, sieht die Sache differenzierter. Dem Tagesspiegel sagte der Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin Saarbrücken: „Das für eine Sportart optimale Körpergewicht zu erreichen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass man magersüchtig wird.“ Kindermann weiß das aus eigener Erfahrung. Er selbst hat früher als 400-m-Läufer bei 187 Zentimeter Körpergröße nur „69 Kilo gewogen, ohne dass ich jemals hungerte“. Das Verhältnis zwischen Körpergröße und Körpergewicht, sagt Kindermann, streue auch im Normalbereich erheblich und sei unter anderem abhängig vom jeweiligen Konstitutionstyp.

Die ganze Diskussion hatte unter anderem ein Interview des ehemaligen Skispringers Frank Löffler im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ausgelöst. „Im modernen Skisprung gibt es den Glaubenssatz: Leicht fliegt besser. Bei uns im Verband wird diese Devise auf die Spitze getrieben. Was hier abgeht, ist kein Skispringen mehr, das ist Kampfwiegen“, beschwerte sich Löffler. Er warf dem Verband indirekt vor, dass sich die Sportler einem „Hungerdiktat“ unterwerfen würden. „Das ist permanenter Terror“, sagte Löffler.

Auch im Internationalen Skiverband Fis hat die Diskussion Reaktionen provoziert. Fis-Skisprungchef Walter Hofer allerdings sieht keinen sofortigen Handlungsbedarf: „Zwar gibt es das Thema Leichtgewicht bei Skispringern, von Magersucht kann aber keine Rede sein“, sagt Hofer und konstatiert: „Leicht fliegt nun mal leichter. Wir können mit keinem Reglement die physikalischen Gesetze außer Kraft setzen.“

Kindermann wiederum betont: „Auch dünne Sportler können alles essen, vorausgesetzt, die Ernährung ist sportgerecht und die Energiezufuhr übersteigt nicht den täglichen Energiebedarf.“ Deshalb findet der Olympia-Chefarzt der Deutschen „gelegentliche Ernährungsanalysen auf der Basis von Ernährungsprotokollen hilfreich“. Das betreffe aber „nicht nur dünne Sportler, sondern alle Athleten“. Allerdings warnt auch Kindermann, man müsse sehr genau unterscheiden zwischen wenig oder zu wenig Gewicht. „Zu wenig Gewicht würde zu Mangelerscheinungen führen.“

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