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Sport: Dumm, aber ehrlich

Der Verdacht gegen deutsche Reiter zwingt die Szene zum Nachdenken über die Dopingregeln

Berlin - Deutschland ist die führende Nation im Reitsport – nach wie vor. Nirgendwo ist die Masse von Weltklassereitern so umfangreich und auch die Zahl der Spitzenturniere so groß. Allein im Weltcup hat Deutschland drei Stationen und gestern hat sich Kiel als Ersatz für Berlin oder Dortmund beworben, nur einen Tag nach dem angeblich größten Skandal im deutschen Springsport. Gerade weil die Reiter im deutschen Sport eine führende Rolle einnehmen, ist der Streit, der um die zukünftige Behandlung von Pferden und den Umgang mit Medikamenten entbrannt ist, so heftig.

Die positiven Dopingproben von Ludger Beerbaums Hengst Goldfever sowie der Vielseitigkeitsreiterin Bettina Hoy während der Olympischen Spiele in Athen hat die Sensibilität für das Thema neu geweckt. Doch sie hat auch die Nachlässigkeit in Athen bei Betreuern und Reitern offen gelegt, und genau dieser leichtfertige Umgang mit den Medikamenten könnte für den deutschen Reitsport nun zur größten Peinlichkeit werden. Obwohl sich Beerbaum und etliche Kollegen beeilen, den Sachverhalt zu erklären, um damit das Image des Dopingsünders zu widerlegen, bleibt es dabei: Beerbaum hat gegen die bestehenden Regeln verstoßen. Das bedeutet für ihn und seine drei Mitreiter aus der Goldequipe, falls die A-Probe auch positiv ausfällt: die Goldmedaille wird aberkannt, und das Team wird auf den Bronzeplatz zurückgestuft. Seine Kollegen hatte Beerbaum schon am Donnerstagabend informiert. Während Otto Becker reserviert reagiert hat, zeigten Marco Kutscher und Christian Ahlmann Verständnis.

Ob Beerbaum jedoch eine Sperre erhält, ist fraglich. Der Stoff, der in der Dopingprobe analysiert wurde, ist nicht als Doping einzustufen. Jeder, selbst die Reiter, nennen die Tests nach ihren Wettkämpfen Dopingprobe. Dabei handelt es sich genau genommen um eine Medikamentenkontrolle. Denn nicht alle verbotenen Mittel sind im Pferdesport Doping. Nach den Regeln des Weltverbands FEI sind zwar alle Medikamente während des Wettkampfs verboten, doch die Substanzen werden in zwei Listen geführt. Liste I enthält die Dopingsubstanzen, also leistungssteigernde Mittel. In der zweiten sind alle anderen verbotenen Stoffe aufgelistet, die nur zur Therapie eingesetzt werden. Das spielt vor allem bei der Beurteilung der Sperre eine Rolle.

Leistungsmanipulation war es im Fall Goldfever nicht. Die Substanz Betamethason steht auf der Liste II. Dennoch war die Anwendung vor dem Wettkampf verboten. „Wir haben Fehler gemacht. Aber Doping war das nicht“, sagt Beerbaum. Dabei sind die Regeln der FEI, auch wenn man sie kritisieren kann, eindeutig: Die bei seinem Pferd nachgewiesene Substanz ist verboten.

Ausgerechnet der deutsche Verband, der vor Jahren so offensiv für die so genannte Nulllösung eingetreten ist, möchte nach diesen Vorfällen nun eine Neuregelung der Grenzwerte erreichen. Denn die Substanz, die bei Goldfever gefunden wurde, ist möglicherweise nur noch in allerkleinster Menge im Blut vorhanden gewesen. Beerbaum spricht allerdings selbst von Dummheit und übernimmt die Verantwortung für die gemachten Fehler, auch wenn selbst Fachleute nicht genau wissen, wie lange mit den neuesten Methoden Substanzen im Blut nachgewiesen werden können.

Anders als bei Beerbaum stand das Mittel, das bei dem Pferd seiner Schwägerin Meredith Michaels-Beerbaum im Mai beim Weltcup-Finale in Mailand gefunden wurde, auf der ersten Liste mit den leistungsfördernden Substanzen. Bei Shutterfly hatten die Tester den Wirkstoff Hydrozy-Promazine nachgewiesen.

Auch ein Jahr zuvor war bei Ulla Salzgebers Pferd Rusty im Dressurweltcup-Finale Testosteron gefunden worden. Auch dieses Mittel steht auf der Liste I, zog aber keine Sperre des Weltverbandes nach sich. Salzgeber wurde Fahrlässigkeit unterstellt, weil das Medikament gegen eine Hauterkrankung eingesetzt wurde. Die Beispiele zeigen, dass die deutschen Reiter nicht unbefleckt sind. Das macht sie nicht glaubwürdiger.

Ingo Wolff

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