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Am Boden: Dresdens Michael Akoto nach dem Abpfiff in Sandhausen.

© IMAGO/Dennis Hetzschold

Dynamo Dresden im Abstiegskampf: Wie Hertha BSC, nur in Sachsen

Dynamo Dresden liefert in Liga zwei ebenso beständiges Chaos wie die Berliner eine Klasse höher. Der erneute Abstieg droht.

Christoph Daferner ließ nach dem Schlusspfiff Wut und Enttäuschung am Werbeaufsteller aus, der nach dem Fußtritt durch die Luft flog. Tim Knipping knurrte währenddessen ins ARD-Mikrofon: „Ich bin bedient.“ Stürmer und Kapitän von Dynamo Dresden verarbeiteten die 1:2-Niederlage beim SV Sandhausen zwar unterschiedlich, welche Folgen sie haben könnte, war jedoch beiden klar: Dynamo droht der Abstieg in die Dritte Liga – mal wieder nach 2006, 2014 und 2020.

Immerhin bleibt dem ostdeutschen Traditionsklub noch eine Hintertür, denn der direkte Abstieg ist sehr unwahrscheinlich, Dynamo hat weiter neun Punkte Vorsprung auf Rang 17. Dieses Polster sollte reichen bei fünf noch ausstehenden Spieltagen. So komfortabel die Lage nach unten ist, so prekär ist sie seit Sonntag nach oben: sechs Punkte Rückstand sind es nun auf Sandhausen, sieben auf Hannover und acht auf Düsseldorf. Es müsste schon ein kleines Wunder geschehen, um die Relegation gegen den Drittliga-Dritten noch abwenden zu können.

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Zumal die Mannschaft zuletzt einen Negativ-Lauf hingelegt: In der Rückrunde ist sie immer noch sieglos, wartet seit zwölf Spielen in Folge auf einen Dreier mehr – das ist einmalig im deutschen Profifußball und wird nicht einmal von Hertha BSC in Liga eins unterboten.

Daferner flüchtete sich in Sandhausen in Sarkasmus: „Wir müssten endlich wieder ein Spiel gewinnen, das wäre mal eine gute Idee“, sagte der Angreifer. Mit jedem weiteren Rückschlag sinkt das Selbstvertrauen, geht der Glaube an die eigene Stärke flöten. „Da schaltet sich der Kopf an, vieles ist negativ behaftet“, erklärte Trainer Guerino Capretti, der gerade deshalb dazu riet: „Es nützt nichts, die ganze Zeit Trübsal zu blasen. Wir müssen nach vorne schauen.“

Was unabhängig von der Sieglos-Serie bedenklich stimmt: Beim Auftritt in Sandhausen ließ die Mannschaft eine Stunde das vermissen, was im Ringen um den Klassenerhalt eine Grundvoraussetzung ist. „Der eine oder andere Spieler hat körperliche Defizite ausgewiesen, wir wurden niedergekämpft“, analysierte Capretti und war darüber offensichtlich erstaunt. Auch hier lässt Hertha grüßen.

In Berlin versuchte der neue Coach Felix Magath die Mannschaft in einem Mini-Trainingslager vor dem Leverkusen-Spiel wachzurütteln. Andere Umgebung, andere Eindrücke – das sollte helfen, tat es aber nicht. Ob auch Capretti in Dresden darauf zurückgreift, ließ er offen. Irgendwas muss jedoch passieren. Als Sportdirektor Ralf Becker Ende Februar Alexander Schmidt entließ, hatte Dynamo noch einen Zähler Vorsprung auf den Relegationsrang. Der erhoffte Trainerwechsel-Effekt blieb aus – gemessen an den Punkten. Ganze zwei holte Capretti in seinen bislang fünf Partien.

Sollte Dynamo erneut absteigen, wäre das finanziell ein herber Schlag. Die Einnahmen, vor allem aus der TV-Vermarktung, würden schrumpfen. Aber auch bei jedem Heimspiel ginge nach einem Abstieg viel Geld verloren. Sind es in der Zweiten Bundesliga noch rund eine Million Euro, die Dynamo durch den Verkauf von Eintrittskarten, Vip-Tickets und Werbung bei einer Partie im vollen Rudolf-Harbig-Stadion verdient, wären es eine Klasse tiefer lediglich 300 000 Euro.

Gesamtsummen zu vergleichen, fällt dagegen schwer. In der Zweitligasaison 2019/20 hatte Dynamo einen Umsatz von knapp 30 Millionen Euro erwirtschaftet, ein Jahr später und eine Klasse tiefer waren es 11,6 Millionen. Allerdings durften da während der gesamten Spielzeit aufgrund von Corona nahezu keine Zuschauer ins Stadion. Und die Folgen der Pandemie bekommt der Verein noch immer zu spüren. Für die laufende Saison rechnet Geschäftsführer Jürgen Wehlend mit einem Minus zwischen 2,5 und 3,4 Millionen Euro – die beantragten Corona-Hilfen nicht mitgerechnet.

Auch auf den Kader hätte ein Abstieg in die Dritte Liga gravierende Folgen, ein Neuaufbau wäre die Folge. Angesichts dieser dramatischen Konsequenzen schickte Capretti einen „Appell an die Fans: Wir brauchen alle auf unserer Seite, nur gemeinsam können wir es schaffen.“ Die Anhänger hatten die Mannschaft in Sandhausen erst 90 Minuten lang angefeuert, nach dem Spiel aber ausgepfiffen. Auch das erinnert an Hertha BSC. Noch aber ist dank der Relegation auch für Dynamo alles möglich, ein Spiel im Berliner Olympiastadion in der kommenden Zweitliga-Saison wäre in jedem Falle ein Höhepunkt für den Verein – bei Hertha müssten sie sich mit einem solchen Duell erst noch anfreunden.

Daniel Klein

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