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Ebert

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Eberts Alkoholfahrt: Auf den Charakter kommt es an

Probleme mit den jungen Spielern hatte Hertha in der Vergangenheit zur Genüge. Nun erstaunt es aber doch, dass es mit Patrick Ebert einen trifft, der die bessere Jugend bei Hertha repräsentieren sollte.

Berlin - Christoph Spycher ist Fußballprofi bei Eintracht Frankfurt, aber welche Schwierigkeiten den Ligakonkurrenten Hertha BSC immer wieder beschäftigen, hat der Schweizer auch fernab von Berlin mitbekommen. Zumindest kann man Spychers Äußerungen über seinen Landsmann Fabian Lustenberger, Herthas designierten Neuzugang, indirekt so deuten. Der 19-Jährige sei menschlich einwandfrei, sagt Spycher, ein sehr gebildeter junger Mann. „Er wird Hertha keine Probleme bereiten.“

Probleme mit jungen Spielern hatte der Verein in jüngerer Vergangenheit mehr, als ihm lieb sein konnte – zuletzt am Wochenende. Patrik Ebert, 20 Jahre alt, wurde am frühen Morgen nach Herthas Pokalsieg in Unterhaching auf dem Ku’damm von der Polizei angehalten. Der Mittelfeldspieler, einer der drei Torschützen gegen den Regionalligisten, hatte den Erfolg bis fünf Uhr gefeiert und bei der Polizeikontrolle fast 1,5 Promille Alkohol im Blut. Neben dem Verlust des Führerscheins muss Ebert auch mit einer Strafe seines Arbeitgebers Hertha BSC rechnen.

„Es ist ein Indiz, dass die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, notwendig sind“, sagt Manager Dieter Hoeneß. „Aber auf diese Bestätigung hätten wir gerne verzichtet.“ Zumal durch Ebert. Der 20-Jährige soll eigentlich die bessere Jugend bei Hertha repräsentieren, eine Jugend, die nicht nur Ansprüche stellt, sondern auch bereit ist, dafür etwas zu leisten. Ebert tut dies, und vor allem identifiziert sich der gebürtige Potsdamer vorbehaltlos mit Hertha – etwas, das Hoeneß bei anderen jungen Spielern zuletzt vermisst hat. „Wir wollen eine veränderte Mentalität“, sagt Herthas Manager.

Diese Mentalität hat Ebert längst nachgewiesen. In der vorigen Saison hat er sich aus einem Tief herausgekämpft, nachdem es für ihn nach einem furiosen Start in der Bundesliga im Herbst genauso plötzlich wieder nach unten, zurück in die Regionalliga, ging. Nach all dem ist es kein Wunder, dass Ebert den derzeitigen Radikalumbau bei Hertha unbeschadet überstanden hat, während einige seiner Altersgenossen den Verein verlassen mussten. Die harte Linie, die von Hoeneß und dem neuen Trainer Lucien Favre gemeinsam durchgezogen wird, trifft den Nerv des Publikums, das zuletzt zunehmend genervt war von den Eskapaden einer ebenso jungen wie selbstverliebten Generation.

Die Liste der Verfehlungen ist lang: Alexander Madlung konnte nichts Schlimmes daran erkennen, Strafzettel fürs Falschparken so lange zu ignorieren, bis er ungefähr dreihundert zusammen hatte und deswegen zum sogenannten Idiotentest musste. Ashkan Dejagah versäumte einen Gerichtstermin und musste deshalb eine Nacht im Gefängnis verbringen. Jerome Boateng war in der vergangenen Saison nach der Niederlage gegen Cottbus bis nachts um zwei unterwegs, sein Bruder Kevin-Prince Boateng liebte die provokative Pose des Ghetto-Kids, beklagte sich aber über fehlende Zuneigung bei Hertha. Bis auf Jerome Boateng, der wohl zum Hamburger SV wechseln wird, haben alle den Verein bereits verlassen.

Für die Außendarstellung des Vereins ist das ein Segen. Hertha will in Zukunft bei der Auswahl junger Spieler noch stärker auf den Charakter achten und auch persönlichkeitsbildende Maßnahmen ergreifen. Als Pädagogischen Leiter für das Jugendinternat haben die Berliner Thomas Krücken vom 1. FC Köln verpflichtet, einen ausgebildeten Gymnasiallehrer, der im September bei Hertha anfängt. Erst dann will er sich öffentlich zu seiner neuen Aufgabe äußern.

Schon jetzt ist absehbar, dass sich Hertha stärker am VfB Stuttgart orientieren wird. Dessen Ausbildung gilt nicht nur als sportlich erfolgreichste in Deutschland, sie soll die Jugendlichen auch zu „charakterstarken, anständigen und selbstbewussten Persönlichkeiten“ erziehen, wie es im Nachwuchskonzept heißt. Wer für den VfB spielt, darf keinen Schmuck tragen, keine langen Haare und auch keine Tätowierungen haben. „Das Konzept passt in die schwäbische Mentalität“, sagt Thomas Albeck, der sportliche Leiter der Jugendabteilung. Deshalb hält er es auch nur für bedingt übertragbar. Berlin sei eine ganz andere Stadt mit einem ganz anderen Charakter, das zeige sich auch beim Fußball, den Herthas Jugendteams spielten. „Die Jungs sind viel frecher und athletischer, die gehen richtig drauf.“ Die Kunst für Hertha wird nun sein, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.

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