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Stefan Effenberg hält eine neue erfolgreiche Ära der Bayern für möglich.

© dpa

Effenberg über Bayern: Hol dir alle Titel, wenn du kannst!

Stefan Effenberg war Kopf der Bayern-Elf, die 1999 am Triple scheiterte. Hier erklärt er, wie es sein alter Verein besser machen und in diesem Jahr vielleicht Geschichte schreiben kann.

Die Situation vor den letzten beiden Spielen ist klar: Die Bayern-Jungs können Geschichte schreiben. Sie können zum ersten Mal das Triple nach München holen. Mehr Motivation brauchst du nicht. Auch wir hatten damals die Möglichkeit, alle drei Titel zu holen. Aber ansonsten war das 1999 eine ganz andere Situation.

Ich kann mich noch genau erinnern: Wir wurden damals mit 15 Punkten Vorsprung Meister. Da ging schon ein wenig die Spannung verloren. Das darf aber keine Entschuldigung sein. Wir waren Profis und wollten alle drei Titel. Es hing dann an Kleinigkeiten. Du brauchst auch ein bisschen Glück. Hätte der Schiedsrichter gegen Manchester United eine oder zwei Minuten früher abgepfiffen, hätten wir schon 1999 den Europapokal geholt. Hat er aber nicht. Und wenn du dann mit so einer Niederlage im Gepäck das Pokalfinale, damals auch gegen Werder Bremen, spielen musst, ist das nicht einfach. Elfmeterschießen ist eben Glückssache – und wir hatten Pech. Wir hatten jedenfalls die große Möglichkeit, die perfekte Saison zu spielen, und haben es nicht geschafft.

Man darf aber nicht anfangen, die Teams von damals und heute zu vergleichen. Man kann Butt nicht mit Kahn vergleichen. Doch ich sehe bei der heutigen Mannschaft, dass sie gewachsen ist. Sie haben den besten Kader seit der Jahrtausendwende. Die Mischung stimmt.

Auch wir hatten damals eine hohe Qualität, es standen zeitweise 19 Nationalspieler im Kader. Damit kann ein Trainer schon sehr gut arbeiten – es stellt aber auch eine Gefahr dar. Aber in diesem Punkt war Ottmar Hitzfeld absolute Weltklasse: Dank ihm waren wir eine absolute Einheit. An jedem Spieltag saßen fünf, sechs Nationalspieler auf der Bank, die sich aber in den Dienst der Mannschaft gestellt haben. Denn das ist das Allerwichtigste beim FC Bayern: Ruhe im Umfeld zu haben. Van Gaal und der Vorstand haben deshalb auch völlig richtig reagiert, als sie Luca Toni gehen ließen. Wenn du einen Spieler hast, der mit seiner Rolle unzufrieden ist und das an die Öffentlichkeit trägt, dann ist das Klima gestört und kein gutes Arbeiten möglich.

Eine Meisterschaft muss auch gefeiert werden

Gut, van Gaal wechselt die Spieler weniger durch als Hitzfeld, den man den Meister der Rotation genannt hat. Doch im Gegensatz zu uns damals musste Bayern dieses Jahr bis zum vorletzten Spieltag um die Meisterschaft kämpfen. Ich hoffe, dass die Feier, die sie danach veranstaltet haben, sie nicht zu viel Konzentration gekostet hat und die Spieler deshalb an Spannung verloren haben. Aber du kannst es den Jungs nicht verbieten, und die Meisterschaft muss auch gefeiert werden.

Es gibt da kein Patentrezept. Die Bayern hatten jetzt eine Woche, um sich auf die Finalspiele vorzubereiten. 2001 hatten wir nach unserer Meisterschaft in letzter Sekunde nur vier Tage bis zum Endspiel gegen Valencia. Wir konnten gar nicht feiern – und haben trotzdem gewonnen. Die Niederlage von 1999 hatte uns als Mannschaft seinerzeit enger zusammengeschweißt.

Ich war damals vom Alter her schon nahe am Limit. Die jungen Spieler wie Hasan Salihamidzic oder Owen Hargreaves hatten noch zehn Jahre, um Titel zu gewinnen. Ich und einige andere hatten nur noch ein oder zwei. Das habe ich den Jungs gesagt: Wir müssen hier marschieren, wir müssen alles versuchen, wir haben die Qualität.

Spieler sollten nicht nur auf sich selbst schauen. Man muss die Augen öffnen und sehen: Butt, Klose oder van Bommel haben ein gewisses Alter und werden vielleicht nie mehr ein Finale spielen. Auch für sie muss man als Mannschaft marschieren.

Wenn du die Chance hast, musst du zugreifen. Da gibt es überhaupt keine Frage. Ich finde es bescheuert, wenn Leute zum Beispiel sagen, die Meisterschaft wäre für Schalke dieses Jahr zu früh gekommen. Was ist denn das bitte schön für ein Argument? Wenn du einen Titel gewinnen kannst, hol ihn dir! Vielleicht wirst du nie mehr die Chance dazu haben. Wer weiß schon, was in einem halben Jahr sein wird?

Als erstes steht am Samstag das Endspiel in Berlin an. Wer sagt, der DFB-Pokal stehe für die Spieler an dritter Stelle, der versteht vom Fußball nichts. Jeder Spieler, der noch nichts gewonnen hat, wäre froh, einmal den Pokal in den Händen zu halten. Wer sich dort für die Champions League schont, der hat auf dem Platz nichts zu suchen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so denkt. Möglich, dass die Bayern in diesen Tagen eine neue Ära einläuten – wie wir zur Jahrtausendwende. Ich würde es mir auf jeden Fall wünschen.

Aufgezeichnet von Dominik Bardow.

Stefan Effenberg

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