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Sport: Ehemaliger Verbandsarzt erhält 15 Monate auf Bewährung

Mit der bisher höchsten Strafe von 15 Monaten Haft auf Bewährung ist der insgesamt vierte Prozess um das systematische Doping in der früheren DDR zu Ende gegangen. Dieses Urteil erging gegen Lothar Kipke, den ehemaligen Verbandsarzt des DDR-Schwimmsport-Verbandes, am Mittwoch vor dem Berliner Landgericht.

Mit der bisher höchsten Strafe von 15 Monaten Haft auf Bewährung ist der insgesamt vierte Prozess um das systematische Doping in der früheren DDR zu Ende gegangen. Dieses Urteil erging gegen Lothar Kipke, den ehemaligen Verbandsarzt des DDR-Schwimmsport-Verbandes, am Mittwoch vor dem Berliner Landgericht. Der 72-Jährige hatte in dem nur eintägigen Verfahren eingeräumt, in 58 Fällen an der Vergabe anaboler Steroide für minderjährige Schwimmerinnen beteiligt gewesen zu sein. Kipkes Anwalt wird keine Revision einlegen.

Die Haftstrafe ist für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, außerdem muss Kipke 7500 Mark an einen gemeinnützigen Verein zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. "Zufrieden kann man nach einem solchen Urteil nicht sein. Aber ich bin erleichtert, dass es vorbei ist", sagte Kipke anschließend.

Über diesen Richterspruch sehr erbost zeigte sich dagegen Nebenkläger-Vertreter Michael Lehner, der zweieinhalb Jahre Haft ohne Bewährung gefordert hatte und hinterher von einem "peinlichen" Urteil sprach. Der Vorsitzende Richter Peter Faust hatte ihn dagegen belehrt: "Höchststrafe für Beihilfe zur Körperverletzung sind nach unserem Recht zwei Jahre."

Dies wollte Lehner nicht gelten lassen: "Man kann auch den Begriff Schau-Prozess verwenden, wo vorher eine Minimalstrafe ausgehandelt worden ist und sich das Gericht dafür mit einem globalen Geständnis zufrieden gibt", sagte Lehner, der auch Anwalt von Olympiasieger Dieter Baumann ist.

Der Heidelberger Jurist hatte Kipke vor Prozessbeginn als "Mengele des DDR-Dopingsystems" bezeichnet, der die Nebenwirkungen der Anabolika gekannt und auch Versuche gestartet habe. "Ein deutscher Unarzt, die Perversion der Heilkunst", sagte Lehner während seines Plädoyers in Anwesenheit von fünf ehemaligen DDR-Schwimmerinnen, die zum Ende der Beweisaufnahme auch direkt Fragen an Kipke gestellt hatten.

Der wegen seiner angeblichen Brutalität beim Verabreichen von Spritzen auch vom früheren DDR-Sportmediziner Manfred Höppner in Stasi-Unterlagen erwähnte Kipke hatte ausgesagt, nicht im vollen Umfang über Nebenwirkungen wie Stimmenvertiefung oder starke Behaarung informiert gewesen zu sein. Ihm seien erst gegen Ende der 70er Jahre Bedenken wegen der Vergabe von Oral-Turinabol-Tabletten gekommen. Doch mögliche Schädigungen von Embryonen seien ihm nicht bekannt, sagte der ehemalige Schwimm-Verbandsarzt.

Dagegen vermutet die frühere Schwimmerin Jutta Gottschalk, dass die Erblindung ihrer Tochter auf dem rechten Auge von Anabolika herrührt. Die ebenfalls anwesende Martina Gottschalt erklärte, dass der Klumpfuß ihres Sohnes von den Tabletten ausgelöst worden sein könnte. Mehrere Kinder von früheren DDR-Leistungssportlerinnen hätten Schäden, sagte die als Nebenklägerin im Prozess auftretende 34-Jährige. Das Gericht lehnte jedoch einen Antrag ihres Anwalts Michael Lehner ab, dazu Beweise zu sammeln und Gutachten zu erstellen. Der Antrag der Nebenklage sei für das Urteil nicht relevant, weil nicht genau nachzuweisen sei, dass es sich zwingend um die Folgen von Hormonpräparaten handele, entschied die Kammer. Gottschalt, die einst DDR-Meisterin über 100 und 200 Meter Rücken war, zeigte sich nach dem Urteil enttäuscht. "Wie kann man damit zufrieden sein?", sagte sie. Eine direkte Entschuldigung richtete Kipke im Gerichtssaal an die Schwimmerinnen nicht.

Der Vorsitzende Richter Peter Faust wertete in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich Kipkes Bereitschaft als positiv, sich mit den Nebenklägerinnen auseinanderzusetzen. Im Urteil sagte der Vorsitzende, die bislang niedrigeren Strafen sehe die Kammer zum Teil als "nicht in Ordnung" an. Kipke habe als Arzt um die schädlichen Nebenwirkungen Bescheid gewusst. Die DDR habe mit den sportlichen Erfolgen durch das Doping ihr ramponiertes Ansehen im Ausland aufbessern wollen. Es könne aber nicht die Aufgabe des Gerichtes sein, Schuldeingeständnisse größeren Umfangs zu erzielen. Die 22. Strafkammer folgte letztlich dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Zuletzt hatten die ehemaligen Verbandstrainer Wolfgang Richter und Jürgen Tanneberger sowie Ex-Verbandsgeneralsekretär Egon Müller jeweils ein Jahr Gefängnis auf Bewährung erhalten. Kipkes Verfahren war dabei abgetrennt worden.

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