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Sport: Eigensinnig bis zum Ziel

Berhane Adere kann über 5000 m Weltrekord laufen

Berlin - Manchmal hat es Volker Wagner ziemlich schwer mit Berhane Adere. Der deutsche Leichtathletik-Manager, der in der Nähe von Detmold lebt, betreut neben einer Reihe von hochklassigen Läufern auch die äthiopische WM-Silbermedaillengewinnerin über 10 000 Meter. Berhane Adere ist relativ eigensinnig. „Es ist schon passiert, dass wir in Zürich waren und sie vor der Weiterreise dreimal die Flugrichtung geändert hat“, erzählt Volker Wagner. „Ich habe ihr ein Ticket nach Köln gekauft und am nächsten Tag wollte sie plötzlich woanders hin. Und dann lässt sie auch nicht mit sich reden.“

Die Zusammenarbeit mit ihrem ersten Manager in Europa, dem Italiener Gianni Demadonna, beendete Berhane Adere vor fünf Jahren, weil sie sich von ihm nicht richtig betreut fühlte. Demadonna hatte sie mit dem Zug zu verschiedenen Wettkämpfen reisen lassen. Das war Berhane Adere zu unbequem, weil sie damals noch kein Englisch konnte und fürchtete, das Ziel und damit das Rennen zu verpassen.

Diese Gefahr droht ihr heute beim Istaf im Olympiastadion nicht. Die 32-Jährige startet als Favoritin über 5000 Meter und könnte für einen der Höhepunkte des Nachmittags sorgen. „Wenn das Wetter und die Tempomacherinnen gut sind, dann kann sie eine sehr schnelle Zeit laufen“, sagt Volker Wagner. Ein Ergebnis um 14:30 Minuten ist denkbar. Wenn es optimal läuft und sich kein taktisches, sondern ein durchweg schnelles Rennen entwickelt, kann es sogar in den Bereich des Weltrekordes von der Türkin Elvan Abeylegesse von 14:24,68 Minuten gehen. Verglichen mit den anderen Laufdistanzen ist es der Weltrekord, der am ehesten zu brechen ist.

Wenn es optimal läuft, kann Adere die bestehende Bestzeit über 5000 Meter unterbieten. „Berhane ist sehr motiviert. Die Frage ist, ob das Tempo das ganze Rennen hindurch hoch gehalten werden kann“, sagt Volker Wagner, der auch die ehemalige Marathon-Weltrekordlerin Tegla Loroupe betreut. Es war die Kenianerin, die im Jahr 2000 von Berhane Adere angesprochen wurde, als diese einen neuen Manager suchte. Loroupe vermittelte sie dann an Volker Wagner.

„Die Äthiopier sind anders als die Kenianer. Es ist schwieriger, mit ihnen zu arbeiten, auch weil der Verband öfter dazwischen funkt“, sagt der Detmolder Manager. „Aber ich habe mich inzwischen daran gewöhnt und reagiere gelassener.“ Als Berhane Adere sich vor gut einem Jahr den Vorgaben des äthiopischen Verbandes widersetzte, strichen die Funktionäre sie aus dem Aufgebot für die Olympischen Spiele. Und das, obwohl sie 2003 in Paris den WM-Titel über 10 000 Meter gewonnen hatte. Damals hatte sie in 30:04,18 Minuten gesiegt und damit den heute noch gültigen Afrika-Rekord aufgestellt. Sie ist die bisher drittschnellste 10 000-Meter-Läuferin und steht über 5000 Meter auf Platz sechs mit 14:29,32 Minuten.

Noch bevor sich Berhane Adere in der Weltklasse etabliert hatte, wurde sie 1994 Mutter. Ihre Karriere konnte sie voranbringen, weil sich ihr Mann Lemme Erpassa, ein früherer Läufer mit internationalen Erfolgen, hauptsächlich um den Sohn kümmert. Adere ist aber nicht nur Mutter, sondern sie unterstützt auch das Hilfswerk Unicef beim Engagement für Kinder in Äthiopien. „Ich sehe mich als Vorbild für äthiopische Mädchen. Ich bin in Äthiopien auf dem Land aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Aus dieser Situation heraus, habe ich es geschafft, meine Karriere aufzubauen“, sagt Adere, die sich besonders für die Ausbildung von Mädchen einsetzt.

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