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Sport: Eigentor in der 90. Minute

Nach einer 3:1-Führung bleibt dem Hamburger SV am Ende nur ein 3:3 bei Alemannia Aachen

So euphorisch kennt man Bastian Reinhardt gar nicht. Der Verteidiger des Hamburger SV geriet richtig ins Schwärmen. Das Objekt seiner Bewunderung war – er selbst. „Ich habe ihn traumhaft reingemacht“, sagte Reinhardt. „Besser geht’s, glaube ich, nicht.“ Nur ganz leicht hatte er die Flugbahn verändert, aber es reichte, um den Ball genau neben den Pfosten ins Tor zu lenken. „Für jeden Stürmer wäre es schwer geworden, den zu verwandeln“, sagte Reinhardt. Vor allem für die Stürmer von Alemannia Aachen, von denen kein einziger in der Nähe war, als der Verteidiger des HSV seinen Kopf hinhielt und ins eigene Tor traf. Es war die 90. Minute, und es war der 3:3-Endstand in einem verrückten Fußballspiel, an dem alle ihren Spaß hatten – die direkt Beteiligten einmal ausgenommen.

Der Aachener Ärger über ein dürftiges Heimspiel fiel naturgemäß weit gemäßigter aus als die Verzweiflung der Hamburger. „Es fühlt sich wie eine Niederlage an“, sagte Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer über das Unentschieden. Ein passenderes Ende für das verlorene Halbjahr des HSV hätte sich niemand ausdenken können. „Das hat die Hinserie so ein bisschen abgerundet“, sagte Trainer Thomas Doll. Seine Mannschaft spielte über weite Strecken überzeugend, sie setzte die Aachener mit energischem Pressing immer wieder unter Druck und erarbeitete sich viele Chancen. Vor allem ging sie eine Viertelstunde vor Schluss durch Danijel Ljuboja 3:1 in Führung.

Der Serbe war erst sieben Minuten zuvor für Besart Berisha eingewechselt worden, der nach einer halben Stunde mit seinem ersten Bundesligator das 1:0 für den HSV erzielt hatte. Die Aachener Fans murrten schon vor der Pause, weil sie das Spiel der eigenen Mannschaft für zu vorsichtig hielten. Dabei hatte auch die Alemannia in der intensiven Anfangsphase viele Chancen gehabt, bei deren serieller Vernichtung sich vor allem Marius Ebbers hervortat. Angesichts des schlampigen Umgangs mit ihren Möglichkeiten benötigten die Aachener einen Foulelfmeter zum Ausgleich. Collin Benjamin hielt Alemannias Verteidiger Klitzpera im Strafraum fest, rang ihn zu Boden, Laurentiu Reghecampf verwandelte den Strafstoß zum 1:1. Nur fünf Minuten später traf Benjamin zum 2:1 für den HSV, ehe wiederum nur zehn Minuten darauf Ljuboja alles klar gemacht zu haben schien.

„Es gibt immer Unwägbarkeiten im Spiel“, sagte Thomas Doll, der zunächst Fiels Anschlusstreffer erleiden musste und schließlich Reinhardts Eigentor. „Wir müssen langsam mal damit aufhören, eine Mannschaft ins Leben zurückzuholen, die am Ende gar nicht weiß, warum sie unentschieden gespielt hat.“ Vielleicht, weil der Gegner HSV hieß. Die Hamburger beenden die Hinrunde auf dem vorletzten Tabellenplatz, mit 13 Punkten und einem einzigen Sieg aus 17 Spielen.

Der Arbeitsplatz des Trainers muss angesichts dieser Bilanz weiterhin als hochgradig gefährdet gelten. „Ich habe da keine Argumente“, sagte Doll. In der kommenden Woche wollen sich die Entscheidungsträger zusammensetzen und den Absturz von Platz drei im Sommer auf Platz 17 im Winter analysieren.

Sportdirektor Beiersdorfer wiederholte, was er schon zuvor bekundet hatte: dass Dolls Zukunft „nicht von einem Spiel abhängt“. Nach dem Spiel in Aachen kann man den Satz so oder so deuten. „Lasst euch mal überraschen“, sagte Doll selbst.

Die Frage ist, ob ein Trainerwechsel überhaupt noch hilft oder ob der HSV nicht zu schärferen Mitteln greifen muss. „Vielleicht sollten wir mal einen Exorzisten zu uns bestellen“, sagte Bastian Reinhardt, „damit der eine kleine Geisteraustreibung macht.“

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