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Sport: Ein Abschied voller Wehmut - Verein zieht sich aus dem Spielbetreib zurück

Es hätte ein lustiger Abend sein können. Ein Kick im Korber-Zentrum, dann ab in die Sauna, in der Kabine stehen schon ein Kasten Bier und Würstchen bereit.

Es hätte ein lustiger Abend sein können. Ein Kick im Korber-Zentrum, dann ab in die Sauna, in der Kabine stehen schon ein Kasten Bier und Würstchen bereit. Doch es wird ein Abend voller Wehmut. Ein Abend des Abschieds. Noch einmal treffen sich die Handballer des HC Blau-Weiß Spandau. Zum letzten Male.

Kurz vorher hatten sie den Rückzug des schon lange im Koma liegenden Vereins vom Spielbetrieb erfahren. Für einige kam er überraschend, für die meisten nicht. In die Enttäuschung mischte sich auch Wut. "Wir haben zwar das Fax des Verbandes gelesen, vom Verein selbst haben wir aber offiziell nichts vernommen. Den Vorsitzenden Uwe Bork habe ich seit Wochen nicht gesehen", erregte sich Jan Orgel, seit 1992 im Verein. Mit Herzblut habe er schon seit geraumer Zeit nicht mehr an diesem Klub gehangen, "dazu ist zu viel danebengegangen". Aber das Auseinandergehen der "tollen Truppe", das schmerze. So richtig werde er das erst morgen, übermorgen begreifen, "wenn kein Training mehr auf dem Programm steht."

Die finanziellen Einbußen treffen Orgel weniger als manch anderen. "Seit drei Jahren habe ich meinem Geld immer hinterherlaufen müssen. Das konnte man ohnehin nicht fest einkalkulieren." Und im Herbst steht Orgel ohnehin auf festen Füßen. Da steigt er nach Abschluss des BWL-Studiums als Diplomkaufmann in ein Steuerbüro ein.

Vom Handball kommt Orgel dennoch nicht los. Noch nicht. 27 Jahre alt ist der in Drombak/Norwegen geborene Rückraumspieler, kein Grund, die Karriere schon zu beenden. Ein neuer Verein muss her. Seine 87 Tore in dieser nun beendeten Saison sind Empfehlung genug. Doch es bleiben Fragen. Darf er überhaupt schon wechseln, muss eine Sperrfrist eingehalten werden? "Noch haben wir nichts Schriftliches in den Händen, noch keine Kündigung." Gemeldet hat sich ohnehin noch kein Verein. In Berlin schmoren die nun in der Regionalliga und Oberliga. Ein Bild des Jammers für eine Stadt, die einst in der Hasenheide Handball aus der Wiege hob.

So werden viele der nun heimatlosen Spandauer der Hauptstadt den Rücken kehren. Auch Georgi Swiridenko, der Trainer, einst mit Rußland Olympiasieger. Vor Jahren lehnte er Angebote aus der Bundesliga ab, im Gegensatz zu seinem Freund Juri Schewzow, der in Lemgo Furore machte. Swiridenko hat die Treue zum Verein längst bereut. Nun, da er seit Monaten kein Geld mehr sah, lebt er nur noch vom Ersparten. Und von der Hoffnung, aus der Konkursmasse noch etwas abzubekommen. Eine schwache Hoffnung. Doch für Swiridenko ging weit mehr kaputt als der Traum vom großen Geld.

Klaus Rocca

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