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Sport: Ein Agent gegen Rassismus

Viele Fußballer wie Adebowale Ogungbure werden wegen ihrer Hautfarbe von Fans und Gegenspielern beleidigt. Der Schauspieler Charles M. Huber hat eine Organisation gegründet, die Spielern und deren Klubs hilft

Von Til Knipper

Berlin - „Es ist viel passiert in diesem Jahr“, sagt Adebowale Ogungbure ausweichend. Der Nigerianer, der bei Sachsen Leipzig in der Fußball-Oberliga spielt, ist 2006 mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Immer ging es dabei um rassistische Beleidigungen gegnerischer Fans oder Spieler gegen ihn. Ogungbure will am liebsten nicht mehr darüber reden. „Zweimal habe ich auf die Beleidigungen reagiert, zweimal wurde ich dafür bestraft“, sagt er.

Das erste Mal war im März beim Spiel gegen den Halleschen FC. Die Fans aus Halle beließen es diesmal nicht bei „Nigger raus“-Rufen. Sie stürmten nach dem Spiel auf den Platz, bespuckten und schlugen den dunkelhäutigen Leipziger Spieler. Ogungbure streckte daraufhin seinen rechten Arm zum Hitlergruß aus. Es war seine Art, sich zu wehren. Der zweite Vorfall ereignete sich am 10. November. Nach dem Abpfiff verpasste Ogungbure seinem Gegenspieler Andrej Zapischni vom VFC Plauen einen Faustschlag ins Gesicht. Danach gab er an, Zapischni habe ihn das ganze Spiel über immer wieder als „Nigger“ oder „Bimbo“ bezeichnet, was dieser bestritten hat. Ogungbure wurde für vier Spiele gesperrt und erhielt eine Geldstrafe. Er hat daraus seine Lehren gezogen. „Ich habe gelernt, dass ich die Klappe halten muss. Ich muss nach vorne schauen.“

Der dunkelhäutige Schauspieler Charles M. Huber bezweifelt, dass dieses „Runterschlucken und Weitermachen“ funktionieren kann. Huber, der als Kommissar in der ZDF-Serie „Der Alte“ bekannt geworden ist, weiß, wovon er spricht. Auch er hat früher bei rassistischen Witzen mitgelacht, um sich nicht isoliert zu fühlen. Als Sohn eines Diplomaten aus dem Senegal wuchs er bei seiner Mutter in Niederbayern auf. Als er Ogungbure im Fernsehen zuschlagen sah, kam er auf die Idee, eine Beratungsagentur für dunkelhäutige Fußballer zu eröffnen.

Huber versteht sich vor allem als interkultureller Mittler zwischen Spieler und Verein. Er will nicht „den Frontmann der Antidiskriminierungsbewegung oder den Moralapostel für die Fankurve spielen“. Ihm sei aber aufgefallen, dass die hohe Sensibilität der Afrikaner in Europa total unterschätzt werde. In der Öffentlichkeit werden Afrikaner immer als Vertreter von Krieg, Armut, Aids und Chaos wahrgenommen, sagt Huber. „Deswegen sitzen die rassistischen Beleidigungen bei den Spielern so tief. Die können das nicht so schnell vergessen.“ Der Druck auf die afrikanischen Spieler werde dadurch noch zusätzlich erhöht, dass sie mit ihren Gehältern die gesamte Großfamilie zu Hause ernähren müssten.

Huber will als Berater direkt in die Vereine gehen, die Mannschaft und das gesamte Umfeld der Spieler kennenlernen. Er hat sich vorgenommen, zum einen die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu verbessern. Da müssten beide Seiten voneinander lernen, weil für dieAfrikaner die direkte der Art der Europäer eine große Umstellung ist. „Ich kann da als Filter fungieren. Es ist besser, wenn sich die Spieler bei mir auskotzen als beim Präsidenten oder beim Manager“, sagt Huber.

Was die Beleidigungen durch Fans und Gegenspieler angeht, möchte er dunkelhäutigen Fußballern beibringen, keine Angriffsflächen zu bieten, sagt Huber. „Sie müssen einfach ihren Job machen und sich nicht als Schwarze, sondern als Spieler beweisen.“ Aus den Beschimpfungen zusätzliche Motivation zu ziehen, davon hält Huber nichts. „Damit gibt man dem anderen ja zumindest teilweise recht.“

Das bisherige Feedback auf seine Idee ist durchweg positiv. Huber hat viel Unterstützung erhalten, unter anderem von Karl-Heinz Rummenigge und Martin Steinmeyer, einem Manager der Sportrechte-Agentur Infront, der auch Honorarkonsul des Senegal ist. „Ich kannte mich ja in den Strukturen der Fußballwelt nicht aus“, sagt Huber. Im Januar wird er sich nun mit Vertretern des DFB, der Deutschen Fußball Liga und der Vereinigung der Vertragsfußballer treffen, um über Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu reden. „Das freut mich sehr, da ich mich nie als Opposition zu den Verbänden verstanden habe“, betont Huber, weil er diesbezüglich mehrfach falsch zitiert worden sei.

Beratungsbedarf auf Spielerseite besteht durchaus. Bei Huber, der erst Ende November mit seiner Idee an die Öffentlichkeit gegangen ist, haben sich bereits „ein gutes Dutzend“ Spieler gemeldet. Bis auf den Mainzer Profi Otto Addo und Babacar N’Diaye aus Unterhaching möchte keiner genannt werden. „Das zeigt, wie heikel das Thema Rassismus in Deutschland immer noch ist“, sagt Huber.

Adebowale Ogungbure hat nicht bei Charles Huber angerufen. Er sagt, er habe von Hubers Agentur noch nichts gehört. „Ich brauche aber auch keine professionelle Beratung“, sagt der 25-Jährige. Er bekomme viel Unterstützung aus der Mannschaft und von den eigenen Fans. Das sei ihm wichtig. Daher will er auch in Leipzig bleiben. Abwanderungsgedanken, wie unmittelbar nach den beiden Vorfällen, hegt er keine mehr.

„Ich habe einen Sohn hier. Ich kann nicht einfach meine Sachen packen und abhauen wegen ein paar Rassisten. Das sind Idioten und bleiben Idioten.“ Zumindest in diesem Punkt sind sich Huber und Ogungbure einig.

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