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Sport: „Ein bisschen Angst ist ganz gut“

Torhüter Timo Hildebrand über die Konkurrenz in der Nationalmannschaft

Herr Hildebrand, sind Sie gerade in kämpferischer Stimmung?

In kämpferischer Stimmung? Wieso?

Sie haben vor kurzem gesagt, Sie müssten nun warten, dass die älteren Herrschaften abtreten. In Valencia haben Sie Santiago Cañizares, den ersten dieser älteren Herrschaften, bereits aus dem Weg geräumt.

Dass es so schnell gehen würde, damit hat wahrscheinlich niemand gerechnet. Cañizares ist eine Institution in Valencia, er spielt schon ewig für den Verein. Aber er hatte zuletzt auch ein paar unglückliche Situationen. Es ist nicht so, dass die Leute ihren Cañizares zurückhaben wollen.

Sind Sie jetzt endgültig die Nummer eins?

Der Trainer hat sich noch nicht geäußert. Ich weiß auch nicht, ob er sich überhaupt festlegen wird: Das ist mein Torhüter, der spielt diese Saison, egal was passiert. Ich glaube, dass er uns ein bisschen kitzeln will. Aber ich habe gut gespielt und gehe davon aus, dass ich erst mal im Tor bleibe.

Und als Nächster muss jetzt Jens Lehmann Ihren Angriff fürchten.

Es bringt nichts, große Sprüche zu klopfen. Viel wichtiger ist: Man muss immer besser werden, immer weiterkommen wollen. Ich mache mir keine großen Gedanken, wann ich bei der Nationalmannschaft die Nummer eins bin.

Lehmann wird im November 38, er ist bei seinem Klub nur Ersatz. Die Chance, bei der EM 2008 die Nummer eins zu sein, ist vielleicht größer als bei der WM 2010.

Das glaube ich nicht. Natürlich weiß man nicht, was passiert, wenn Jens bei Arsenal auf Dauer nicht spielt, aber eigentlich ist doch klar, dass es im Tor bis zur EM keinen Wechsel mehr geben wird. Joachim Löw hat klar gesagt: Jens ist seine Nummer eins, er spielt, und ich bin die Nummer zwei. Was nach der EM kommt, ist für mich weit weg. Jens wird irgendwann aufhören, dann rechne ich mir Chancen aus, auch in der Nationalmannschaft zu spielen. Bei Torhütern ist es nun mal so, dass es länger dauert. Jens Lehmann musste bis zu seinem 36. Lebensjahr warten.

Aber Sie sehen sich schon als sein legitimer Nachfolger?

Es sind ja viele Namen im Gespräch.

Eben. Uli Hoeneß hat schon die nächste Generation – Rensing, Adler und Neuer – ins Spiel gebracht.

Solche Spielchen habe ich ja lange genug miterlebt: Der eine sagt was, dann wird der andere damit konfrontiert und reagiert darauf. In solchen Situationen bin ich ganz froh, dass ich jetzt etwas ab vom Schuss bin. Ich kann mich mehr auf mich konzentrieren, und die Leute sind nicht mehr so fokussiert auf mich. Jetzt registriert man nur: Der Hildebrand hat gut gespielt. Aber wie der ganz genau gespielt hat, interessiert keinen mehr.

Dann waren Sie vermutlich ganz froh, dass Robert Enke die Aufgabe übernommen hat, Uli Hoeneß zu widersprechen.

Ich bin ja nicht angerufen worden … Nein, dass Hoeneß die Jungs ins Spiel bringt, bedeutet nicht viel. Das ist ein ganz normaler Mechanismus. Wenn ein Junger neu in die Bundesliga kommt und Aufsehen erregt, wird er ganz anders nach oben getragen als jemand, der schon ein paar Jahre spielt. Viel schwieriger ist es, ein hohes Niveau über zwei, drei Jahre zu halten.

Wie war das mit Ihrem Anfangsbonus?

Es gab keinen Anfangsbonus. Mein Anfangsbonus war, dass ich mit dem VfB beinahe abgestiegen wäre. Das war eine ganz schwierige Situation, auch weil ich in diesem Jahr noch viele Fehler gemacht habe. Ich bin nicht gleich so nach oben geschossen wie die Jungs jetzt, die das Glück haben, in guten Mannschaften zu spielen. Mein Stern ist erst später aufgegangen. Aber es ist immer besser, wenn man peu à peu nach oben kommt, als wenn man einmal richtig einschlägt und dann ein großes Tief kommt. Ich kann mit Recht sagen, dass ich in meiner Karriere noch nie richtig nach unten abgefallen bin.

Wären Sie auf diesen Fall vorbereitet?

Ein bisschen Demut, ein bisschen Sorge, ein bisschen Angst sind immer ganz gut. Dann bleibt man wachsam, hebt nicht ab und wird nicht arrogant. Das ist der beste Schutz.

Als Sie in Valencia auf der Bank saßen, haben Sie einen sehr gelassenen Eindruck gemacht. Wie viel Schauspielerei war dabei?

Gar keine. Das war einfach Ausdruck dessen, wie es mir in Valencia geht. Mir gefällt es da, mir geht es gut. Ich tue nicht gelassen, ich bin es. Und ich war es auch, als ich nicht gespielt habe. Weil ich gewusst habe, wie die Situation im Verein ist, auch meine persönliche. Ich weiß einfach, dass ich Qualität habe und irgendwann spiele.

Aber zunächst sah es so aus, als hätten Sie sich mit Ihrem Wechsel verspekuliert.

Stellen Sie sich vor, ich wäre beim VfB geblieben, mit in die Krise gerutscht und hätte viele Tore kassiert. Dann hätten alle gesagt: Was will der Hildebrand denn in der Nationalmannschaft? Ich bin nach Valencia gegangen, um dort zu spielen. Das habe ich geschafft. Jetzt warte ich darauf, dass Jens Lehmann in der Nationalmannschaft aufhört. Dann will ich den nächsten Schritt gehen, den letzten.

Da sind Sie ganz gelassen.

Auf jeden Fall. Ich weiß, dass die Bundestrainer mir vertrauen. Sie wissen, dass ich ein guter Torhüter bin. Warum soll ich mir da große Sorgen machen?

Und es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass Sie auf jeden Fall bei der EM dabei sind.

Was heißt auf jeden Fall dabei? Ich habe mir ja selbst Gedanken gemacht: Was ist, wenn ich ein halbes Jahr in Valencia auf der Bank sitze? Oder ein ganzes? Aber im Moment muss ich mir darüber keine Gedanken mehr machen.

War Spanien für Sie die einzige Option?

Spanien war mein Favorit. Die Primera División ist eine Top-Liga, von ihrer Qualität her viel höher einzuschätzen als die Bundesliga. Es gibt kaum eine Mannschaft, die wirklich abfällt. Selbst Huelva hat richtig gute Kicker in der Mannschaft.

Wäre es für einen Torhüter nicht reizvoller, in England zu spielen?

In England ist der Fußball vielleicht noch schneller, noch aggressiver. Aber in Spanien lassen die Schiedsrichter auch viel mehr laufen als in der Bundesliga. Die Leute im Stadion wollen Spaß haben, gute Aktionen sehen, Tore. Dadurch passiert viel mehr. So mag ich das.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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