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Sport: Ein charmanter Motivator

Der Schweizer Trainer Hanspeter Latour soll Bundesligist 1. FC Köln vor dem Abstieg bewahren

Der Mann aus der Schweiz erzählte bei seinem Amtsantritt in Köln zunächst eine Anekdote. „Als ich den Anruf aus Deutschland bekam“, erinnerte sich Hanspeter Latour lächelnd, „da dachte ich, jetzt verlierst du vielleicht schon wieder einen Spieler an die Bundesliga“. Aber Latour begriff bald: Michael Meier, der neue Manager des 1. FC Köln, wollte ein Gespräch mit ihm, dem Trainer des Grashopper-Club Zürich: „Ich habe schnell gemerkt, der will um mich kämpfen.“ Gestern hatte dieses Ringen ein Ende, der 58 Jahre alte Fußball-Lehrer aus der Schweiz wird in Köln Nachfolger des vor Weihnachten entlassenen Uwe Rapolder. Latours Vertrag beim stark abstiegsbedrohten Traditionsverein läuft bis Juni 2007.

„Ich freue mich wahnsinnig, in die Bundesliga zu kommen“, sagte Latour, als er auf dem Kölner Vereinsgelände vor über 100 Journalisten vorgestellt wurde. Vereinspräsident Wolfgang Overath, der in den jüngsten Wochen eine „große Lösung“ für die Trainerfrage angekündigt hatte, bat um eine „faire Chance“ für den in Deutschland bislang unbekannten Trainer. „Wir hätten uns die Entscheidung viel einfacher machen können, aber Latour ist am unverbrauchtesten und am klarsten“, sagte Overath. Der gebürtige Berner, der einst das Tor des FC Thun hütete, arbeitet schon seit mehr als drei Jahrzehnten als Trainer. Nach Stationen beim FC Dürrenast, beim FC Thun und beim FC Solothurn arbeitete Latour schon 1997 bei Grashoppers Zürich, als Assistent des bekanntesten Schweizer Trainers Christian Gross (heute FC Basel). Doch als Trainer gelang ihm erst 2001 der Durchbruch, als er mit dem FC Thun nicht nur in die Super-League aufstieg, sondern das Team auch zu einer Spitzenmannschaft weiterentwickelte. Seit Weihnachten 2004 schließlich arbeitete Latour in Zürich.

Latour ist ein ehrgeiziger Spätstarter. Er scheint alle Anforderungen zu erfüllen für die heikle Aufgabe in der manchmal recht aufgeregten Medienstadt Köln. Seine herausragenden Qualitäten als charmanter Entertainer bewies er jedenfalls schon gestern. Auf die Frage, ob er denn wisse, dass es sich beim 1. FC Köln um keinen gewöhnlichen Klub handele, antwortete er keck: „Ja, der 1. FC Köln muss ein verrückter Verein sein, sonst hätten sie nicht nochmal einen Schweizer genommen.“ Das war natürlich eine Anspielung auf seinen Landsmann Marcel Koller, der mit den Kölnern 2004 abgestiegen ist. Und gefragt nach anstehenden Spielerverpflichtungen, juxte Latour: „Wenn ich meinen Kontrakt so ansehe, ist da sicher noch viel Luft.“

Latour eilt der Ruf voraus, aus einem bescheidenen Kader das Maximum herauszuholen und dabei nicht den Sinn für die Realitäten zu verlieren. Es sei „immer so eine Geschichte mit der Fußballphilosophie“, erklärte er nach seinem Wechsel zu Grashoppers Zürich. „Hat man als Trainer die Möglichkeit, seine Denkweise durchzusetzen, oder hat man nicht den Auftrag zu versuchen, aus dem vorhandenen Potenzial das Maximum herauszuholen? Je länger ich in diesem Geschäft dabei bin, desto mehr gelange ich zur Überzeugung, dass Letzteres gilt. Die eigene Philosophie muss hintenanstehen.“

Die Kölner Spieler haben sich also nicht auf große Systemdebatten einzustellen, sondern auf einen wortgewandten Motivator, der zu ungewöhnlichen Maßnahmen greift. Beim FC Thun etwa stimmte er seine Spieler zuweilen mit lauter Rockmusik im Mannschaftsbus auf harte Auswärtsspiele ein. Als einmal die Schweizer Presse sein Team als lahm und laufunfreudig diskreditierte, plakatierte er daraufhin die Wände der Mannschaftskabine mit aktionsgeladenen Fotos, die seine Spieler in harten Tacklings zeigten – und stachelte seine Spieler an mit Fragen: „Sind wir nicht aggressiv genug?“ In die gleiche Richtung zielte gestern seine Ankündigung, es müsse in der Mannschaft „neues Holz nachgelegt werden, damit das Feuer wieder lodert“.

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