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Sport: Ein Denkmal wird gestürzt

Kein Carl-Diem-Weg mehr in Köln

Der Kölner Carl-Diem-Weg wird umbenannt. Das klingt nach einer schlichten Meldung, aber es hat doch weitreichende Bedeutung. Denn der Beschluss des zuständigen Bezirksparlaments Köln-Lindenthal, der am Mittwoch auf Antrag der SPD zustande kam, beendet überraschend eine zehn Jahre lang flammende Diskussion darüber, ob der bedeutendste deutsche Sportfunktionär weiterhin als Vorbild zu gelten hat. Die Verstrickung Diems in das Regime des Nationalsozialismus, begründete Rolf Becker (SPD) lakonisch den Antrag, sei „eindeutig“. Auf eine Anhörung hatte das Parlament mit dem Hinweis darauf verzichtet, dass dieses Thema „bei den Experten längst durch“ sei.

Brisant ist diese Umbenennung aus mehreren Gründen. Einerseits verbirgt sich hinter Diem (1882–1962) der Nestor der deutschen Sportwissenschaft, weil er 1920 in Berlin mit der Deutschen Hochschule für Leibesübungen (DHfL) die erste Sportuniversität der Welt gründete. Diem hatte auch das deutsche Sportabzeichen eingeführt, die Olympischen Spiele 1936 als Generalsekretär organisiert, den Fackel-Staffellauf erfunden und die zweite Ausgrabungsperiode des antiken Olympia initiiert. Dazu hinterließ er als Sportjournalist ein Mammutwerk von mehr als einer Million Druckzeilen.

Wenn über das Denkmal Diem debattiert wird, dann geht das über eine Einschätzung dieser Biografie weit hinaus – vielmehr steht die wechselvolle Geschichte des deutschen Sports zur Diskussion. In den 1990er Jahren jedenfalls mutierte das Denkmal Diem in der Öffentlichkeit zu einem umstrittenen Opportunisten, der sich den Machthabern im „Dritten Reich“ angebiedert hatte. Eines der „Lieblingsprojekte Mussolinis“, wie die Berliner Sportstudenten Diem spöttisch nannten, nämlich die Verzahnung von Sport und Militär („Der Krieg lehrt uns die Notwendigkeit des deutschen Sports“ – „Der Sport ist der Büchsenspanner des Krieges“), widersprach nun dem Bild vom Sport als völkerverbindendes Element.

Insbesondere die Jugenderinnerung des ZDF-Chefredakteurs Reinhard Appell, wonach Diem im März 1945 auf dem Berliner Reichssportfeld eine Schar von Hitler-Pimpfen in den sicheren Tod geschickt haben soll („Schön ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland stirbt“), bewog einige Lokalpolitiker dazu, die Diem- Straßen, -Wege, -Plätze und -Hallen der Bundesrepublik umzubenennen. Auch in Berlin wurde eine Sporthalle umbenannt, zuletzt distanzierte sich Diems Heimatstadt Würzburg vom Wirken des Sportfunktionärs. Wenn das nun aber auch in Köln geschieht, hat das freilich einen besonderen Charakter. Denn viele Kommunen verfolgen die Entwicklung an der Sporthochschule, dem einzigen Anlieger des Carl-Diem-Weges, mit großem Interesse – gerade weil Diem die Sportuniversität 1947 mitgegründet hat.

Überraschend ist der Zeitpunkt der Umbenennung deshalb, weil derzeit in Münster eine große biografische Studie über das Lebenswerk Diems angefertigt wird – finanziert durch das Nationale Olympische Komitee, den Deutschen Sportbund und die Krupp-Stiftung. Als „Dummheit und Blödheit“ kritisiert daher der Sporthistoriker Karl Lennartz, der langjährige Leiter des Kölner Carl-Diem-Archives, den Beschluss „bornierter Lokalpolitiker: Warum wartet man nicht auf das Gutachten, das in vier Jahren fertig ist?“ Der Rektor der Sporthochschule, Walter Tokarski, bezeichnet den Beschluss gar als „Skandal“. Ein kleines Bezirksparlament hat diese Debatte über die Rolle des Sports im Dritten Reich, die viel zu lange verdrängt worden ist, jedenfalls wieder in Gang gebracht. „Eine Umbenennung einer Straße“, mahnt jedoch schon der Berliner Sporthistoriker Giselher Spitzer, „kann die Aufarbeitung des Sports in der NS-Zeit nicht ersetzen.“

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