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Sport: Ein Hauch von Gerechtigkeit

Daniel Pontzen über Giovane Elbers sportlichen Racheakt „So ist Fußball“, sagte Elber spät in der Nacht. Natürlich ist Fußball nur selten so.

Daniel Pontzen über

Giovane Elbers sportlichen Racheakt

„So ist Fußball“, sagte Elber spät in der Nacht. Natürlich ist Fußball nur selten so. Der professionelle Betrieb dieses Sports hat düstere Seiten, doch am Mittwochabend hatte er etwas – Vorsicht: große Worte! – Reinigendes, ja: Gerechtes.

Niemand wird ernsthaft in Zweifel ziehen, dass ein Kader, noch dazu auf dem angestrebten Niveau des FC Bayern, schrittweise verändert werden muss. Übertriebenes Mitleid ob des harten Verdrängungswettbewerbes wäre Romantik am falschen Platze. Dafür bekommen Profis monatlich zu große Summen auf ihren Konten gut geschrieben. Das Wechselspiel Elber/Makaay hatte dennoch etwas zutiefst Unappetitliches. Denn als im Sommer der Entschluss einer Verpflichtung des Holländers Besitz von den Münchner Kader-Strategen ergriffen hatte, wurde Elber abgeschoben wie ein lästiges Stiefkind, das den familiären Frieden zu gefährden drohte.

Die kühle Kalkulation des Vorstandes richtete sich plötzlich nicht mehr gegen anonyme Adressaten wie die DFL, sondern wandte sich gegen denjenigen, der den Bayern in den vergangenen sechs Jahren am meisten Spaß bereitet hatte. „Es wäre eine Geisteskrankheit, ihn zu behalten“, hatte Uli Hoeneß behauptet, es zwar später bedauert, doch Ottmar Hitzfeld hatte da schon bereitwillig nachgelegt: „Es wäre für den gesamten Verein besser, wenn Giovane gehen würde.“ Am Mittwoch wäre es für den gesamten Verein besser gewesen, Giovane wäre nicht gegangen. Zumindest nicht nach Lyon.

Elber hat sich sehr zurückhaltend geäußert in jenen Tagen im September. Sicher war er selbst überrascht, wie schroff ihn die Verantwortlichen aus dem Bayern-Kader entfernten, so, als gelte es eine beliebige Buchstabenfolge mit Tipp-Ex zu überpinseln. Elber hat nie Rache geschworen, und mit der Begründung, er wolle sich nicht in wenigen Tagen die Erinnerung an die wohl erfolgreichste Zeit seines Lebens kaputtmachen, überraschende Reife bewiesen. Doch wer nach seiner vergebenen Chance im Hinspiel Sekunden vor Schluss seinen hungrig-flehenden Blick sah, dem wurde klar, dass Elber noch nicht fertig war mit seinem FC Bayern. Die Gunst der Auslosung wollte er nutzen.

Das hat er nun getan, in jener 53. Minute am späten Abend des 5. November 2003, der als einer der markanten Kenndaten in die Chronik des FC Bayern eingehen wird. Unabhängig davon, ob es die Bayern noch in die nächste Runde der Champions League schaffen. Mit seinem Tor hat Elber seinen ehemaligen Verein in eine tiefe Depression gestürzt. Es war die größtmögliche sportliche Vergeltung. Ein Hauch von Gerechtigkeit. Vielleicht ein bisschen mehr, als er eigentlich wollte.

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