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Sport: Ein heißes Spiel

Deutschland gegen die Türkei – das wird auch ein Test der neuen Fanbeziehungen. Sicherheitsexperten sind besorgt, viele Fans euphorisch

Nicht nur fußballerisch steht einiges auf dem Spiel. Das Halbfinale Deutschland gegen die Türkei birgt eine Brisanz, die niemand so recht einschätzen kann. Seit über 50 Jahren sind die Länder nicht mehr bei einem großen Turnier aufeinandergetroffen, zum letzten Mal bei der WM 1954, lange Zeit bevor viele türkische Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Was soll man also erwarten? Experten befürchten Ausschreitungen, besonders in den Großstädten wie Berlin, Frankfurt am Main oder Hamburg. Das Spiel ist auch ein Test für die Beziehungen zwischen Deutschen und Türken. In Berlin fahren viele Autos bereits unter deutscher und türkischer Flagge. Aber wird das auch am Mittwoch noch so sein? Oder verpufft die Sympathie für die Mitbürger, wenn die beiden Teams aufeinandertreffen?

Özcan Mutlu glaubt, dass die neue Beziehung das Ende eines Prozesses ist. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus erinnert an die WM 2006. Die Türkei war damals nicht qualifiziert, weshalb viele in Deutschland lebende Türken die deutsche Nationalmannschaft angefeuert haben. „Das hat viel zur Völkerverständigung beigetragen“, sagt Mutlu. „Vor ein paar Jahren hätte ich mir diese Paarung noch nicht gewünscht, aber ich glaube, jetzt ist Deutschland bereit dafür.“ Bei dem gebürtigen Türken mit deutschem Pass überragt die Vorfreude alle Sorgen: „Ich glaube, es wird ein großes Fest.“

Auch die Berliner Polizei geht von friedlichen Feiern aus – auch auf der Fanmeile, die pünktlich zum Spiel am Mittwoch wieder eröffnet. Man wird dennoch Kollegen aus anderen Bundesländern anfordern, um auf alles vorbereitet zu sein. In Hamburg wird mit einigen Schwierigkeiten gerechnet. „Es wird etwas ruppiger zugehen, egal, wer gewinnt“, sagt Polizeisprecher Andreas Schöpflin. Zwar sei es beim Spiel zwischen der Türkei und Kroatien sehr entspannt zugegangen, er weiß aber auch, dass es eventuell anders laufen könnte, wenn die Türkei verliert. Auch in der Hansestadt werden deshalb mehr Polizisten als üblich im Einsatz sein.

Eine große Public-Viewing-Veranstaltung wurde bereits aus Furcht vor Ausschreitungen abgesagt. Das Oberhausener „Centro“ wird die Begegnung „aus Sicherheits- und Kapazitätsgründen“ nicht zeigen, wie der Sicherheitsbeauftragte des Einkaufszentrums erklärt. „Wir haben nur Platz für 4000 Leute, rechnen aber mit 10 000, die rein wollen. Der Unmut der 6000 Ausgeschlossenen könnte gefährlich werden. Da reicht schon ein Brandstifter, damit die Lage eskaliert.“

In Frankfurt am Main gab es am 7. Juni Ausschreitungen nach der einzigen Niederlage der Türken gegen Portugal. Etwa 200 türkische Fans wüteten, die Polizei wurde mit Steinen und Flaschen beworfen. Hartmut Scherer, Polizeiführer vom Dienst in Frankfurt, rechnet für Mittwoch aber mit keiner besonderen Bedrohung. „Es werden die gleichen Vorkehrungen getroffen wie vor jedem anderen Spiel auch.“ Allerdings will Scherer auch nicht ausschließen, dass kurzfristig noch Public Viewings abgesagt werden.

Den Sorgen der Sicherheitsexperten steht die große Euphorie der Menschen gegenüber. Ein buntes Fußballfest erwartet zum Beispiel Celal Bingöl, Präsident des türkischen Fußballvereins Türkiyemspor in Berlin. „Wir leben seit 40 Jahren in Deutschland“, sagt er, „ist doch klar, dass wir die deutsche und die türkische Nationalmannschaft zu gleichen Teilen anfeuern.“ Im Grunde sei es deswegen egal, wer gewinnt. „Was man momentan in Berlin sieht, ist bemerkenswert. Nicht nur die Türken freuen sich für die Deutschen, sondern auch umgekehrt. Das ist doch das richtige Zeichen für Deutschland, für die Integration, die ja von beiden Seiten ausgehen muss.“

Auch der Manager der deutschen Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, macht sich keine Sorgen. Die Nationalmannschaft, der derzeit alleine sieben Spieler mit Migrationshintergrund angehörten, stehe für Respekt, Toleranz und Fairness. Deshalb hofft er auf ein tolles Spiel am Mittwoch ohne Ausschreitungen sowohl im Stadion in Basel als auch auf den Straßen in Deutschland.

Wie es aussehen könnte, deutete der Freitagabend bereits an: Zum Spiel Kroatien gegen die Türkei kamen viele Deutsche mit türkischen Trikots ins Klubhaus von Türkiyemspor am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Und Türken in Schwarz-Rot- Gold sind auf dem Kurfürstendamm in Berlin nach Deutschlandspielen schon längst nichts Außergewöhnliches mehr.

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