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Im Erfolg unverstanden: Trainer Huub Stevens.Foto: Fishing4

© REUTERS

Sport: Ein Jahrhundert endet

Der mal wieder nervöse FC Schalke 04 trennt sich vom zuletzt starrsinnigen Vereinsidol Huub Stevens und befördert Jugendtrainer Jens Keller.

Die Augen waren klein und gerötet. Es war nicht zu übersehen, dass es eine sehr kurze Nacht für Horst Heldt gewesen war. Noch in den späten Abendstunden, nach einem erneut desolaten Spiel, einem 1:3 gegen den SC Freiburg am Samstag, hatte sich der Manager des FC Schalke 04 mit seinen Vorstandskollegen und Aufsichtsratschef Clemens Tönnies dazu entschieden, „die Reißleine zu ziehen“, wie es Tönnies formulierte. Nach 15 Monaten war damit die zweite Amtszeit von Trainer Huub Stevens auf Schalke beendet.

Am frühen Sonntagmorgen wurde der Niederländer über die Entscheidung informiert; nach Bekunden der Klubführung soll Stevens nicht einmal Einwände dagegen gehabt haben. „Wir haben uns im Guten getrennt“, sagte Heldt. Der bisherige U-17-Trainer der Schalker, Jens Keller, soll die Mannschaft mindestens bis zum Saisonende übernehmen.

Die Trennung von Stevens war offenbar nicht mehr zu vermeiden. „Wir sind faktisch in Probleme gekommen, die nun ihren negativen Höhepunkt erreicht haben“, sagte Heldt. Neben der unbefriedigenden zweiten Hälfte der Hinrunde, in der die Mannschaft in acht Spielen lediglich 5 von 24 möglichen Punkten einspielen konnte, ließ sich der Bruch zwischen Spielern und Trainer nicht mehr kitten. „Es gibt viele Faktoren, die es nicht einfach machen, hier Fußball zu spielen. Aber es ist eine Frage des Kopfes und nicht der Qualität“, sagte Kapitän Benedikt Höwedes.

Was genau am elften Spieltag, beim 0:2 bei Bayer Leverkusen, innerhalb der Mannschaft passiert war, als der rapide Abwärtstrend nach einer fulminanten Anfangsphase einsetzte, darüber hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen. Doch die Dissonanzen waren nicht mehr zu übersehen. Stevens, der von den Schalker Fans einst zum Jahrhunderttrainer gewählt worden war, hatte den Einfluss auf die Mannschaft verloren. Sein starres Spielsystem, das vor allem auf Konter ausgelegt war, seine unverrückbaren Überzeugungen, die ihm viele als Sturheit ausgelegt haben, und seine zunehmende Übellaunigkeit, die ihn in frühere Verhaltensmuster hatte zurückfallen lassen, haben nicht eben zur Linderung der Probleme beigetragen. Zuletzt hatte der 59-Jährige immer öfter den Eindruck vermittelt, als sei seine Motivation nicht mehr besonders groß. Dies hatte wohl auch mit dem Umstand zu tun, dass Horst Heldt es stets vermied, ein klares Bekenntnis über die Zukunft des Trainers über das Saisonende hinaus abzugeben. Stevens, der in der vergangenen Saison nach dem Rücktritt Ralf Rangnicks wegen Burnouts die Mannschaft übernommen und mit ihr den dritten Tabellenplatz und nun vorzeitig das Achtelfinale in der Champions League erreicht hatte, schien zunehmend in seinem Stolz verletzt zu sein.

Dieses Gefühlsgemenge machte die Arbeit aller Beteiligten nicht einfacher. Trotz der Erfolge, die Stevens bei Schalke hatte, „hatten wir nicht mehr das Gefühl, das Spiel gegen Mainz am Dienstag im Pokal in dieser Konstellation gewinnen zu können“, begründete Heldt die Beurlaubung. Jens Keller soll nun dafür sorgen, dass die Schalker sich langsam wieder ihrem normalen Leistungsniveau annähern. Heldt hatte den 42-Jährigen im vergangenen Sommer aus Stuttgart ins Ruhrgebiet geholt und ihn als Jugendtrainer eingestellt. Im Schwabenland pflegten beide bereits eine enge Beziehung. Unter dem VfB-Manager Heldt war Keller bereits Co-Trainer.

Als Cheftrainer hat Keller allerdings erst zwei Monate Erfahrung in Stuttgart als Interimslösung sammeln können. Ein erfahrener Fußballlehrer kam für den Manager offenbar dennoch nicht infrage. „Warum in die Ferne schauen, wenn man gute Leute vor Ort hat?“, fragte Heldt rhetorisch.

Dass die Schalker Verantwortlichen nicht auf Marcus Gisdol, Stevens’ Co-Trainer, zurückgriffen haben, der zuletzt als aussichtsreicher Nachfolgekandidat gehandelt wurde und auch in Hoffenheim als Option auf den Cheftrainerposten gilt, ist nicht weniger als eine Stärkung Kellers. Denn Gisdol selbst hätte sich dem Vernehmen nach eine Beförderung gut vorstellen können. „Marcus ist ein junger, ambitionierter Trainer. Wir wollen jetzt eine klare Hierarchie haben“, blockte Heldt ab.

Wie Keller die Schalker Mannschaft wiederbeleben möchte, darüber wollte er zunächst noch keine Auskunft geben. „Ich muss mir erst ein Bild machen und werde das dann zunächst intern mit den Spielern besprechen“, sagte Keller. Dass aber auch er wenig Zeit haben wird, seine Ideen umzusetzen, bleibt ein offenes Geheimnis.

Das Schalker Umfeld ist wie immer notorisch nervös, wenn die Erfolge ausbleiben. Die Vereinsführung hat auch deshalb gehandelt, weil sie befürchtete, dass die Mannschaft in der bisherigen Zusammensetzung die erneute Qualifikation zur Champions League verspielt und dass sie auch bereits im DFB-Pokal im Achtelfinale ausscheiden könnte. Die Nervosität bei den Verantwortlichen ist groß, weil der eingeschlagene Weg der Konsolidierung der chronisch klammen Vereinskassen so nicht weiter voranzutreiben wäre. Gleichzeitig soll die Mannschaft um die oberen Tabellenplätze in der Bundesliga mitspielen. Für Jens Keller steht bereits die erste Bewährungsprobe bevor. Damit die Schalker zumindest ein ruhiges Weihnachtsfest feiern können, wäre ein Sieg gegen Mainz am Dienstag äußerst hilfreich.

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