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Sport: Ein Klassiker zum Warmfahren

Ullrich trifft Armstrong – aber Hamilton gewinnt das Radrennen

Lüttich. Nicht der große Favorit Lance Armstrong, sondern sein Landsmann und ehemalige Mannschaftsgefährte Tyler Hamilton gewann den Ardennen-Klassiker Lütich-Bastogne-Lüttich. Der 32 Jahre alte Amerikaner beendete im strömenden Regen als Solist über die letzten vier Kilometer das zum 89. Mal ausgetragene älteste Radrennen der Welt. Nach 258,5 Kilometern und 6:28:50 Stunden rettete der Kapitän des dänischen CSC-Teams von Bjarne Riis seinen knappen Vorsprung von zwölf Sekunden ins Ziel. Zweiter wurde der Spanier Iban Mayo vor dem Holländer Michael Boogerd.

Armstrong, der zwanzig Kilometer vor dem Ziel attackiert, das Tempo in einem Trio bestimmt und forciert hatte, wurde am letzten Anstieg in dem Lütticher Vorort, fünf Kilometer vor dem Ziel, vom Verfolgerrudel wieder eingefangen und landete nach Hamiltons Gegenangriff schließlich mit 50 Sekunden Rückstand auf dem 20. Rang. „Lance war sehr stark. Auch deswegen hat dieser Sieg einen besonderen Platz in meinem Herzen“, jubelte Hamilton. An der Cote de la Redoute, der 2,3 Kilometer langen Schlüsselsteigung (7,4 Prozent) des Rennens 35 km vor dem Ziel, hatte Armstrong die Muskeln spielen lassen, war der Stärkste, aber in dem packenden Finale nicht mehr stark genug.

Ein bemerkenswert starkes Rennen fuhr bei seinem Comeback Jan Ullrich, der in den vorderen Splittergruppen auf dem 29. Platz mit 1:27 Minuten Rückstand das Ziel erreichte. „Ich bin froh, dass ich im Ziel bin. Ich bin weiter gekommen, als ich selber geglaubt habe“, sagte ein zufriedener und glücklicher Coast-Kapitän. „Ich habe versucht, ein bisschen mit zu attackieren. Aber die letzten dreißig Kilometer waren zu lang und der letzte schwere Berg zu viel für mich. Da ging nichts mehr. Dennoch bin ich bin gutes Rennen gefahren und stolz darauf, was ich bisher schon erreicht habe.“ Nach nur drei Wochen Rennpraxis sei er „selbst überrascht, wie gut es schon läuft“.

Bester Deutscher war der Erfurter Patrik Sinkewitz auf dem 15. Rang. Die Telekom-Hoffnung Matthias Kessler (Nürnberg) erlitt am vorletzten der zehn Berge Krämpfe. „Da konnte ich im Finale nichts mehr machen“, sagte der Franke und begnügte sich 42 Sekunden zurück mit dem 18. Rang – also noch vor Armstrong. Eine bemerkenswerte Tat vollbrachte der Kapitän von Gerolsteiner, der Italiener Davide Rebellin. „Ohne mein Lieblingsrennen wäre für mich die Saison gelaufen gewesen“, hatte er sich trotz seiner bei einem Sturz im „Fleche Wallone“ am vergangenen Mittwoch erlittenen Schulterverletzung (Luxation, Haarriss an der Schulterplatte) zur Teilnahme entschlossen – und quälte sich mit Bravour auf den 13. Platz.

Es ist erstaunlich: Als gäbe es keinen Lance Armstrong, hatte sich das internationale Medieninteresse schon vor dem Rennen vor allem um Jan Ullrich gedreht – ob am Vorabend in der Rennfahrer-Herberge „Post Hotel“ in Herstal oder vor dem Start am Morgen in Lüttich auf der Place Saint-Lambert vor dem barocken Parlamentspalast Walloniens. Die Szene begrüßt das Comeback. Die Branche braucht einen Star wie den Deutschen. „Jan ist zurück. Das ist gut für ihn, für Deutschland, für den Radsport“, sagte sein alter Freund Bjarne Riis, der den einstigen Weggefährten nur zu gerne in seinem dänischen Team CSC gehabt hätte. Jan Ullrich spürt, wie willkommen er ist. „Ich denke, mein Rückkehr belebt den Radsport.“ Vor allem, wie er zurückkehrt, verwundert allgemein: rank und schlank, leicht und locker. „Jan ist ein anderer Mensch geworden, aber derselbe Rennfahrer geblieben“, urteilt Riis. „Jan hat seit Jahren nicht so gut ausgesehen“, hat auch Johan Bruyneel, der sportliche Leiter von Armstrongs US Postal Team, festgestellt. „Ein starker Jan Ullrich ist auch gut für uns.“ Denn der viermalige Tour-Sieger schätzt den Ullrich und mag es, wenn der sich zu einem starken Herausforderer aufschwingt.

Hartmut Scherzer

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