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Sport: Ein Klub sucht sich selbst

Das Scheitern im Europapokal verstärkt die Identitätskrise des Hamburger SV

Dietmar Beiersdorfer musste sehr lange überlegen. Der Sportchef des Hamburger SV konnte nach dem definitiven Aus im Europapokal kein Saisonziel für die Bundesliga benennen. „Wir wollen nicht so weit in die Zukunft schauen. Wir müssen das Spiel am Sonnabend in Wolfsburg so ernst nehmen, dass wir auch gewinnen können“, sagte Beiersdorfer in den Katakomben der Hamburger AOL-Arena nach der 1:3-Niederlage gegen den FC Porto.

Das Vertrauen Beiersdorfers in seine Mannschaft scheint nach der vierten Pleite im vierten Vorrundenspiel der Champions League nicht besonders groß zu sein. Zu offensichtlich wurde, dass die europäische Meisterklasse für die in der Bundesliga schon überforderten Norddeutschen gleich zwei Nummern zu groß ist – zu schlecht fürs Weiterkommen und sogar zu schlecht für den Trostwettbewerb Uefa-Pokal. „Jeder hat gesehen, dass das zu wenig ist. Das betrifft alle unsere Champions-League-Spiele“, sagte der ratlos wirkende Hamburger Trainer Thomas Doll. „Es tut weh, dass wir unseren Verein und den deutschen Fußball so schlecht verkauft haben.“

Die Hamburger, die die Portugiesen nur phasenweise nach dem 1:2-Anschlusstreffer durch Rafael van der Vaart unter Druck setzen konnten, haben nun einen Negativrekord aufgestellt. Noch nie hat eine deutsche Mannschaft die ersten vier Spiele in der Gruppenphase der Europaliga verloren. In den letzten beiden Partien bei Arsenal London und daheim gegen ZSKA Moskau kann nicht mal mehr Platz drei und damit der Sprung in den Uefa-Pokal realisiert werden. Dabei hatte Kapitän van der Vaart gerade vor dem Spiel gegen Porto angekündigt, dass der HSV nicht zur Lachnummer Europas werden wolle.

Obwohl der Niederländer neben dem Argentinier Juan Pablo Sorin zu den besseren Hamburgern gehörte, wurde der Mittelfeldspieler noch einmal mit seiner Aussage konfrontiert. „Ich glaube nicht, dass wir nun eine Lachnummer sind“, sagte van der Vaart. „Aber in der Champions League ist nun mal eine andere Qualität gefragt. Wir Spieler und die Fans müssen Ruhe bewahren.“

Nach der Partie gab es zwar lautstarke „Auf Wiedersehen“-Rufe. Die stammten jedoch nur aus dem Block der rund 700 Porto-Fans. Der große Rest der 52 000 Zuschauer hatte nicht einmal Lust, die HSV-Spieler auszupfeifen. Die Zuschauer sind inzwischen sieglose Partien gewöhnt. Der letzte Heimerfolg stammt vom April 2006, als Borussia Mönchengladbach mit 2:0 bezwungen werden konnte.

Den Glauben an seine Mannschaft hat der Trainer noch nicht verloren. „Unser Kader besitzt Qualität. Wir befinden uns nur in einer Phase, in der das Selbstvertrauen nicht so ausgeprägt ist“, sagte Doll.

Was Doll beinahe beiläufig über seine Spieler sagte, kam jedoch schließlich wie eine handfeste Kritik des Trainers an seinen Akteuren daher. Ohne in der Öffentlichkeit Namen zu nennen, sagte Doll: „Nicht jeder kann von sich behaupten, alles gegeben zu haben.“ Eine hübsche Beschreibung für eine Blamage.

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