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Der Prinz und die Mühen des Alltags. Rafael van der Vaart trägt zu viel Verantwortung beim HSV. Foto: dapd

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Sport: Ein Mann ist zu wenig

Beim Hamburger SV ist vom Van-der-Vaart-Effekt nicht mehr viel zu sehen.

Hamburg - Es war kurz vor der Pause, als Rafael van der Vaart seine nachhaltigste Szene hatte. Als Petr Jiraceks Flanke in den Stuttgarter Strafraum schwebte, genau auf van der Vaarts linken Fuß, mit dem er an guten Tagen so großartige Dinge anstellen kann.

Der Sonntag war kein großartiger Tag.

Rafael van der Vaart holte also aus und … schrammte mit seinen Stollen über den Unterschenkel des Stuttgarter Artur Boka. Für den ivorischen Verteidiger war der Fußballabend beendet, für den niederländischen Spielgestalter hatte er nie richtig angefangen. Am Ende stand eine 0:1-Niederlage gegen den VfB Stuttgart und Rafael van der Vaarts selbstkritische Erkenntnis, dass „man im Mittelfeld Spiele entscheidet. Aber wir haben heute den Krieg dort nicht gewonnen.“

Das ist recht martialisch formuliert, in der Botschaft aber durchaus zutreffend. Und in finaler Konsequenz durchaus besorgniserregend, was die Perspektive des dienstältesten Unternehmens der Fußball-Bundesliga betrifft. Der Hamburger SV hat viel Geld in Rafael van der Vaart gesteckt und sich von dessen Fußballkunst in ähnlicher Weise abhängig gemacht wie der 1. FC Köln vor drei Jahren beim Transfer von Lukas Podolski. Er soll das Tempo variieren, den tödlichen Pass spielen und dazu die entscheidenden Tore schießen.

Es ist bekannt, welches Ende die Kölner Geschichte nahm. Die Hamburger Variante ist noch offen. Aber vom Van-derVaart-Effekt der ersten Wochen ist nicht mehr viel zu sehen. Dafür ist das Hamburger Spiel zu leicht auszurechnen.

Van der Vaart hatte einen guten Start in Hamburg. Mit zwei Torvorlagen wies er dem so schlecht gestarteten HSV den Weg zum ersten Saisonsieg, einem vielversprechenden 3:2 über den Deutschen Meister Dortmund. Beim 2:2 in Mönchengladbach gelang ihm das erste und dazu überaus spektakuläre Saisontor. Aber schon zuletzt vor zwei Wochen beim glücklichen 1:0 in Fürth war schwerlich zu übersehen, welche Mühen das Alltagsgeschäft in der Bundesliga dem Prinz des Hamburger Boulevards abverlangt.

Den Fürthern fehlte die mannschaftliche und individuelle Klasse, den HSV zu besiegen. Die Stuttgarter zeigten, wie es funktioniert. Gemeinsam nahmen Raphael Holzhauser, Christian Gentner und vor allem William Kvist den Hamburger Hauptdarsteller aus dem Spiel, und gemeinsam widmeten sie sich auch der Gestaltung des Offensivspiels. Van der Vaart wirkte müde und ideenlos, er lief 90 Minuten lang im Einheitstempo über den Platz und schoss ein paarmal aufs Tor, weder scharf noch platziert und erst recht nicht gefährlich. Immer wieder suchten die Hamburger ihren Anführer, aber sie fanden ihn immer seltener.

Im modernen Hochgeschwindigkeitsfußball führt die Brillanz des Einzelnen nur zur Wertsteigerung, wenn die Basis gegeben ist. In Hamburg ist van der Vaart die Basis. Ist er groß genug dafür? In Tottenham ließ ihn André Villas-Boas ziehen, obwohl sich der van der Vaart übergeordnete Luka Modric verabschiedet hatte. Das sagt einiges. Über Rafael van der Vaart und den HSV. Sven Goldmann

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