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Sport: Ein Maurersohn erspielt sich die Welt

Seit 100 Jahren wird in Deutschland gegolft. Bernhard Langer ist bis heute der stille Star des Sports

Berlin - Der Junge ist acht Jahre alt, als er mit dem Fahrrad täglich zur Anlage kommt und den Männern die Taschen übers Gras trägt. Bernhard Langer bessert so sein Taschengeld auf beim GC Augsburg. Die Sechzigerjahre haben gerade begonnen – Golf ist ein Hobby von wenigen Reichen. Doch für Langer, den Maurersohn, wird das Spiel mit dem kleinen Ball zu einer Leidenschaft von Anfang an. Eine Leidenschaft, die ihn zur Leitfigur des Golfens machen wird – eines Sports, der am Samstag in Deutschland sein 100-jähriges Jubiläum feiert.

Als Junge übt Langer mit ein paar geliehenen Schlägern und einem verbogenen Putter in jeder freien Minute und träumt von einer Laufbahn als Profi. „Golf war damals nicht gerade cool“, erzählt Langer in seiner Autobiografie. Seine Ansage, später einmal Golfspieler werden zu wollen, sei jedenfalls bei den Mitschülern auf großes Gelächter gestoßen. Langer erinnert sich heute so: „Die Vorstellung war einfach zu absurd, dass ich als der Sohn eines Maurers in einen Sport einsteigen wollte, der damals ein Sport der Reichen war.“ Tatsächlich gehört es zu Langers großen Leistungen, genau diese Vorstellung auf den Kopf zu stellen.

Während deutsches Profigolf im internationalen Vergleich faktisch nicht existiert, nimmt der 15-jährige Langer eine Lehrstelle beim Münchner Golflehrer Heinz Fehring an und beginnt seine Ausbildung zum Profi. Langer wird Turniergolfer, ohne mit der Jugendförderung des Deutschen Golf-Verbandes in Berührung zu kommen. Trotzdem wird er über 35 Berufsjahre zu einem Spitzensportler, der zwei Majorsiege und 64 weitere Erfolge feiert. Ein Gesicht des Golfens – nicht nur in Deutschland.

Die Ersten, die beim Namen Langer aufmerken, sind die Briten, bis dato ganz von ihrer Vorherrschaft im Golfsport überzeugt. Sportliches Golf findet aus ihrer Sicht in Kontinentaleuropa nicht statt, weshalb es einer kleinen Sensation gleichkommt, dass Bernhard Langer 1976 anlässlich der Madrid Open im „Daily Telegraph“ gewürdigt wird: „Es gab bisher noch nie einen hervorragenden deutschen Profi, aber der blonde Langer hat offensichtlich den Ehrgeiz, hier andere Verhältnisse zu schaffen.“ Tatsächlich hat Langer sich im Verlauf der Jahre international ein Ansehen erarbeitet, das jenes zu Hause weit übertrifft. Wer mit britischen oder amerikanischen Journalisten über den Deutschen spricht, wird die Bewunderung für einen Mann spüren, der sich weltweit einen Ruf als extrem fairer Spieler und harter Arbeiter erworben hat. Der es zu nicht weniger gebracht hat als zum konstantesten Spieler der letzten vier Jahrzehnte. Langers Position als Sportstar ist in England, Irland oder den USA gefestigter als in Deutschland. Zusammen mit Severiano Ballesteros trägt er wesentlich dazu bei, dass europäisches Golf nicht nur als britisches Golf verstanden wird.

In Deutschland wurden Langers Leistungen erstaunlicherweise lange unterbewertet. Das mag damit zusammenhängen, dass die Erfolge des Deutschen erst einmal auf ein weitgehend golf-unerfahrenes Publikum treffen. Golf findet in den Medien noch in den Siebzigerjahren faktisch nicht statt. Immerhin: Als Langer 1981 bei einem Turnier in England seinen zweiten Schlag an Loch 17 aus der Baumkrone einer Esche herausspielt, werden die Bilder im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF übertragen. Nach und nach ebnen Langers Leistungen dem Golfsport den Weg raus aus der reinen Fachpresse in Zeitungen, Fitnessmagazine oder große Journale. 1985 und 1993 wird er mit seinen Siegen bei den US-Masters berühmt, 2004 durch seinen Erfolg als Kapitän der europäischen Ryder-Cup-Mannschaft.

Trotzdem ist Langers Beziehung zum deutschen Golfsport immer distanziert geblieben. Die Art seiner Unterstützung hat er stets ausgewählt. Mit der Durchführung der German Masters in Stuttgart brachte er das deutsche Golfpublikum von 1987 erstmals mit internationalen Spitzenspielern in Berührung. Männer wie Fred Couples oder Payne Stewart reisten an – auch, weil sie Bernhard Langer schätzen.

Wer mit anderen deutschen Profis spricht, weiß, dass sich Langer nicht lange bitten lässt, wenn es um gemeinsame Proberunden, Tipps beim Training oder beim Turnierablauf geht. Langer aber hilft nicht nur gerne, sondern ist auch ein kritischer Geist, einer, der angesichts seines bis heute anhaltenden harten Trainings sehr genau beobachtet, ob ein Jungprofi tatsächlich den Erfolg sucht.

Wer sich in all den Jahren Langer als deutschen Sonnyboy erhoffte, der sich gerne in der Öffentlichkeit zeigt, keinerlei Vermarktung scheut und überall die schwarz-rot-goldene Fahne präsentiert, sieht sich getäuscht. Der Sportler ist hundertprozentig professionell und sorgfältig, akribisch in der Abarbeitung der Aufgaben, die er erledigen muss. Vor den Marketing-Karren aber lässt er sich nie spannen. Langers Karriere hat stets auf eigener Arbeit aufgebaut, unterstützt von einigen wenigen Vertrauten. Langer selbst gibt auf die gleiche Weise zurück: gezielt an einzelne Personen oder Projekte, verhalten, unauffällig.

Dass man aus dem inzwischen fast 50-Jährigen einen weit bekannteren Sportstar hätte machen können, steht angesichts seiner überragenden sportlichen Leistungen außer Frage. Zum Boris Becker aber hat Langer nie getaugt. In dieser Hinsicht blieb er vielleicht immer ein Maurersohn: strebsam und bescheiden.

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