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Sport: Ein Mythos zerbricht

Die verpasste Olympia-Qualifikation des Bahn-Vierers offenbart atmosphärische Probleme im Verband

Berlin - Die Geschichte mit dem Linksverkehr, gut, die war ein bisschen problematisch. Burkhard Bremer ist gerade in Manchester bei der Bahnrad-WM, dass ihm Autos auf einer ungewohnten Seite entgegen kommen, „daran musste ich mich gewöhnen“. Aber ansonsten? Ansonsten hat Bremer „keine schlaflose Nacht“ hinter sich und sitzt auch „nicht tief enttäuscht weinend in der Ecke“. Das Debakel hatte sich ja abgezeichnet. „Seit ein paar Wochen schon“, sagt der Sportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR). Er sagt natürlich nicht Debakel, er sagt: „große Enttäuschung“. Er meint den neunten Platz des Bahn-Vierers bei der WM; der kostete die Olympiaqualifikation. Für den zweimaligen Vierer-Olympiasieger Jens Lehmann ist das „eine Katastrophe“. Für Wolfgang Scheibner, den Präsidenten des Berliner Radsportverbands, auch.

Der Sturz eines Symbols.

Der Vierer ist mythenbehaftet wie der Deutschland-Achter, umfassend dekoriert mit WM- und Olympiagold. Seit 1952 war er immer bei Olympischen Spielen. Am Donnerstag beendeten vier schwache Fahrer die Serie. Angeführt hatte sie Robert Bartko, der Doppel-Olympiasieger. Der Mann, der die Einzel-Verfolgung als 16. beendet hatte. Aber das Schlimmste ist ja: In Peking ist überhaupt kein Deutscher in Einzelrennen am Start, Folge der WM-Ergebnisse.

Der Vierer hatte mindestens Vierter werden müssen, eine fast aussichtslose Mission, das wusste auch Bremer. Deshalb wirkt er einigermaßen abgeklärt. Das Problem ist ja, dass der Vierer überhaupt unter diesen Druck geraten war. Punkte für die Olympiaqualifikation holt ein Vierer bei den Weltcups. Beim Weltcup in Sydney allerdings fehlte Bartko, der wichtigste Mann. Er fuhr, in Absprache mit Bundestrainer Uwe Freese und Bremer, bei einem Sechs-Tage-Rennen. Bartko startete erst beim Weltcup in Peking, direkt nach einem Sechs-Tage-Auftritt. „Ein Fehler“, sagt Scheibner. Ach was, sagt Bremer, „in den vergangenen drei Jahren hatte diese Planung auch gut funktioniert“. Aber diesmal fuhr der Vierer in Sydney hinterher, und in Peking sah es nicht viel besser aus. Also musste das Team unplanmäßig auch beim Weltcup in Los Angeles starten, aber weil da Bartko wieder fehlte, verzichtete auch das Talent Leif Lampater. Er fuhr lieber ein Sechs-Tage-Rennen. Bremer sagt, Lampater habe sich schriftlich zu Weltcups-Start verpflichtet, Lampater sagt, er fühle sich veralbert. Bartko dürfe ein lukratives Sechs-Tage-Rennen fahren, er aber sollte zum Weltcup. Nicht mit ihm.

Eine typische Szene für das aktuelle Klima im BDR. Bundestrainer Peter Uibel zum Beispiel steht schon länger auf der Abschussliste von Fahrern. Nach Olympia „gibt es beim BDR eine kleine Revolution“, zitiert dpa den früheren Junioren-Weltmeister Maximilian Levy mit Blick auf Uibel. Und WM-Neuling Rene Enders knurrt: „Ich hätte gerne mal einen Trainer, der motiviert.“ Bremer erwidert, er habe bei der WM von Enders so etwas nicht gehört. Den Olympiasieger Guido Fulst hätten die Fahrer freilich gerne behalten. Doch der stärkste Anfahrer des Vierers beendete 2007 unerwartet seine Karriere.

Immerhin gewannen gestern noch die deutschen Frauen bei der 3000-Meter-Mannschaftsverfolgung Bronze. Es war die dritte Bronzemedaille für den BDR bei dieser WM – eine schmale Erfolgsbilanz. Scheibner, der Berliner Verbandschef, befürchtet, dass den Bahn-Fahrern jetzt erhebliche Fördermittel gestrichen werden, weil schon die Bilanz der WM 2007 eher mager ausgefallen war. Bremer ist da weniger pessimistisch. Er sieht das Ganze. Und das sieht doch, signalisiert er, gar nicht schlecht aus. Auch deshalb ist er jetzt kein Fall für Anti-Depressiva. Es gibt ja nicht bloß die Bahn-Fahrer im BDR. Es gibt ja auch den Straßensport und die Mountainbiker. „Und da“, sagt Bremer, „haben wir für Peking die maximale Teilnehmerquote ausgeschöpft.“

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