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Am großen Rad drehen. Die Formel 1, hier Michael Schumacher, hat sich allerlei ausgedacht, um den Japanern nach der Natur- und Reaktorkatastrophe zu helfen und Verbundenheit auszudrücken. Foto: dpa

© dpa

Sport: Ein paar Runden feiern

Beim ersten Rennen in Japan nach Fukushima will die Formel 1 den Menschen ein bisschen Zerstreuung bieten

Vom Unglücksreaktor in Fukushima sind es 600 Kilometer bis zur Formel-1-Strecke in Suzuka. 600 Kilometer, die ausreichen müssten, um Ängste zu zerstreuen. Doch die Entfernung war am Ende doch nicht groß genug, um Geschichten wie diese entstehen zu lassen: Angeblich bringe Red Bull das komplette Essen für das Team aus Europa mit. Die Geschichte machte so lange die Runde, bis sich Red Bull genötigt sah, sie in einer Pressemitteilung zu dementieren.

Kein Formel-1-Team handelt in diesen Tagen in Japan anders als bei jedem anderen Grand Prix, kauft vor allem frische Waren bei lokalen Händlern ein. Wegen strikter Einfuhrbestimmungen wäre etwas anderes ohnehin nicht möglich. Und die Fahrer essen genauso in den vielen Restaurants des Circuit Hotels, wie sie das seit Jahrzehnten tun. Immerhin, einige Hotels haben versucht, möglichen Ängsten der europäischen Gäste zuvorzukommen: Am Frühstücksbuffet steht da schon mal ein Schild: „Eier aus Suzuka!“

Beim Motorrad-GP vor einer Woche in Montegi, 150 Kilometer von Fukushima entfernt, hatten einige Teams und Medienvertreter sogar eigene Geigerzähler mitgenommen. Die Besorgten mussten allerdings feststellen, dass die Strahlungswerte im Flugzeug auf 10 000 Meter Höhe höher als an der Rennstrecke waren.

Doch während die Motorradfahrer, die vorher immer wieder von einem Boykott des Rennens gesprochen hatten, nur schwer zugeben konnten, dass ihre Panik wohl unbegründet war, machten sich die Formel-1-Fahrer offenbar nie wirklich Sorgen. Sie sehen den Grand Prix vor allem als Möglichkeit, den leidgeprüften japanischen Menschen etwas Freude und Entspannung zu schenken. Ob Sebastian Vettel mit seinem Schriftzug „Verbundenheit“ auf dem Helm. Ob Fernando Alonso, der erzählte, dass Ferrari den Wiederaufbau einer Schule im Tsunami-Gebiet unterstütze. Oder Lokalmatador Kamui Kobayashi, der einen Mädchenchor aus einer vom Erdbeben zerstörten Stadt eingeladen hat, der am Sonntag vor dem Rennen die Nationalhymne singen wird und den er am Samstag auch besuchte – alle möchten ein bisschen Unterstützung und Hilfe geben.

Noch ein Beispiel: Alle fünf aktiven Weltmeister, Schumacher, Vettel, Hamilton, Button und Alonso, unterschrieben Gemälde von sich und ihren Autos, die am Sonntag nach dem Rennen online vom Veranstalter versteigert werden. Und auch Bernie Ecclestone hatte eine ganz eigene Idee, Geld für die Erdbeben- und Tsunamiopfer zu sammeln: An der Rennstrecke gibt es Stoffpuppen mit seinem Konterfei zu kaufen.

In der Formel 1 beschäftigte Japaner bestätigen, wie wichtig der Grand Prix als Event für die Bevölkerung sei. Ayao Komatsu ist bei Renault der Renningenieur von Witali Petrow, er geht davon aus, „dass das Rennen hier die Stimmung in der Bevölkerung nach einer sehr schwierigen Zeit sehr wohl verbessern kann. Es wurden ja schon einige Großereignisse abgesagt. Aber wir Japaner wollen und brauchen etwas, auf das wir uns freuen können.“

Auch in den großen Zentren, speziell in Tokio, sind in diesem Jahr viel weniger Europäer unterwegs als früher – die Zurückhaltung der Touristen und die Tatsache, dass viele große Firmen im März ihre Belegschaften abzogen, ist sichtbar. Dafür begegnen die Japaner den wenigen „Gaijin“, den Fremden, die sie antreffen, mit einer Offenheit und Herzlichkeit, die früher nie zu spüren war. Tom Gerrard, ein Amerikaner, der seit 25 Jahren in Japan lebt und seit vielen Jahren Chef des Pressezentrums in Suzuka ist, bestätigt diese Eindrücke: „Die Leute hier schätzen und respektieren die Ausländer, die sich nicht von der allgemeinen Panik haben anstecken lassen.“ Das würde als Vertrauensbeweis angesehen, „dass man es Japan zutraut, diese schwierige Zeit zu überwinden und aus eigener Kraft wieder nach oben zu kommen“.

Dazu gehöre eben auch, dass die Formel 1 das Rennen in Suzuka nie infrage gestellt habe. Gerrard, dessen Bruder Atomphysiker ist, sagt: „Es geht den Japanern darum, dass auch die Ausländer verstehen: Ja, wir haben ein Problem – aber das beschränkt sich auf einen relativ engen Radius um Fukushima. Und wir sind durchaus in der Lage, damit verantwortungsvoll umzugehen.“

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