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Sport: Ein Phänomen kehrt zurück

Zurückhaltung ist ein Fremdwort für die "Gazzetta dello Sport". Am Montag prangte auf dem rosa Papier der größten italienischen Sportzeitung ein großes Wort: "Halleluja".

Zurückhaltung ist ein Fremdwort für die "Gazzetta dello Sport". Am Montag prangte auf dem rosa Papier der größten italienischen Sportzeitung ein großes Wort: "Halleluja". Die "Gazzetta" feierte, wie alle anderen großen Blätter, das Comeback eines Fußballers, dem die Tifosi ehrfürchtig den Spitzenamen "Il Fenomeno" verliehen haben. Das Phänomen namens Ronaldo ist wieder da. Und wie: Lässig schlenzte der Brasilianer den Ball mit dem Außenrist ins Tor zum 1:0 für Inter Mailand gegen Brescia Calcio, und die frohe Kunde hallte vereinsübergreifend in ganz Italien nach. Ronaldo selbst jubelte: "Heute ist der schönste Tag meines Lebens!"

Das Kunststück, mit dem der 25-Jährige nach zwei Jahren wieder ein Tor für seinen Klub Inter Mailand erzielte, gehört zum Repertoire des Brasilianers. Ebenso wie sein pfeilschneller Antritt Richtung Strafraum, das kurze Dribbling, links und rechts um den Ball tänzelnd. Eine dieser phänomenalen Aktionen war aber auch der Auslöser für den bisher absoluten Tiefpunkt in seiner Karriere, als er sich im Frühjahr 2000 zum bislang letzten Mal am Knie verletzte. Seitdem hat Ronaldo ein Tief nach dem anderen durchschritten. Etwas widerwillig dankte er nach seinem Comeback Inters Trainer Hector Cuper. Es harmoniert nicht gerade zwischen dem brasilianischen Stürmer und seinem argentinischen Chef. Gegen Brescia hat der Trainer Ronaldo nach langer Missachtung zum ersten Mal wieder von Anfang an spielen lassen.

Ronaldos Leidensweg begann bei der WM 1998 in Frankreich. Schon im Endspiel gegen Frankreich lief er verletzt auf und schleppte sich später in Mailand von Spiel zu Spiel. Seine Versuche, die Formkrise zu überwinden, scheiterten dann immer wieder an seinem labilen rechten Knie. Ronaldo drohte die Sportinvalidität. Am 21. November 1999 erzielte er gegen Lecce sein letztes Tor für Inter. Eine Operation war unvermeidlich. Ein halbes Jahr später fiel er beim Comeback ohne fremde Einwirkung zu Boden und weinte wie ein Kind. Der Befund: Sehnenriss im rechten Knie, das der Pariser Orthopäde Gerard Saillant bereits am 30. November 1999 operiert hatte.

Erneut kam Ronaldo zurück, er quälte und schindete sich, gegen die Grenzen seiner Physis wollte er mit aller Gewalt wieder der weltbeste Fußballer werden. Doch Inters Trainer Hector Cuper nahm keine Rücksicht und setzte Ronaldo nur dann ein, wenn die Mannschaft führte. Kein probates Mittel, um die fehlende Spielpraxis zu erlangen. Der Brasilianer aber will unbedingt an der WM im kommenden Jahr in Japan und Südkorea teilnehmen und bat Inters Präsident Massimo Moratti, ihn bis Saisonende an eine brasilianische Erstligamannschaft auszuleihen. Abgelehnt.

Also arbeitete Ronaldo in Europa an seiner Rehabilitation. Vor ein paar Wochen sagte er Gerard Saillant: "Sie werden sehen, Herr Professor, in einigen Wochen werden Sie wieder von mir reden hören. Ich kann Sie doch nicht enttäuschen." Dann kam das Spiel gegen Brescia, und am nächsten Tag war Ronaldo mit seinem Tor auf den Titelseiten aller großen Zeitungen.

Ist er damit über den Berg? Es gibt auch Skeptiker. "Ich weiß nicht, ob er wieder hundertprozentig fit wird", sagt Italiens Nationaltrainer Giovanni Trapattoni. "Aber schon 80 Prozent wären für einen Ronaldo mehr als ausreichend." Ähnlich nüchtern sieht es Inter-Trainer Hector Cuper. "Ronaldos Tor flößt ihm und uns Vertrauen ein", sagt der Argentinier. Liebe, Begeisterung oder auch nur Zuneigung klingen anders.

Vincenzo Delle Donne

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