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Sport: Ein politisches Spiel

Handball war oft Klassenkampf – am Dienstag feiern deutsche und dänische Sportler aber ihre Versöhnung

Das wichtigste in diesem Handballspiel ist die politische Botschaft. Am 29. März trifft die deutsche Handball-Nationalmannschaft in der Flensburger Campushalle auf Dänemark trifft, um das 50. Jubiläum der Bonn-Kopenhagener-Erklärungen zu feiern, der Grundlage der deutsch-dänischen Beziehungen bis heute. Der Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB) Ulrich Strombach spricht von einer „staatspolitischen Verantwortung“, und auch der Blick auf die Gästeliste zeigt, dass der Sport an diesem Tag nicht die Hauptrolle spielt: Der Bundeskanzler wird kommen, der dänische Ministerpräsident, selbstverständlich auch die neue politische Führung Schleswig-Holsteins. Das Spiel werte den Stellenwert der Sportart gehörig auf, findet Strombach: „Diese quasi diplomatische Anerkennung tut dem Handball sehr gut.“ Es sei außerdem eine Belohnung für die vielen Erfolge, die Bundestrainer Heiner Brand in den letzten Jahren gefeiert habe.

Eine politische und kulturelle Bedeutung wie in diesem Fall findet sich selten in der Geschichte des Handballs, der – eine zufällige Gemeinsamkeit – als Kind deutscher und dänischer Spielerfinder gilt. Das erste Mal spiegelten sich am 23. Mai 1937 in einem Handballspiel Wünsche und Hoffnungen, freilich unter negativem Vorzeichen. Als deutsche Feldhandballer vor 45 000 Zuschauern an der Wiener „Hohen Warte“ gegen Österreich aufliefen, wurden sie als Repräsentanten Nazi-Deutschlands angefeindet. Während des turbulenten Spiels verteilten Angehörige der „Vaterländischen Front“, die rund 10 000 Mitglieder im Stadion versammelt hatte, Flugblätter mit der Aufschrift: „Durchs Hakenkreuz zu Hass und Not, durchs Hakenkreuz zu Krieg und Tod. Wollt Ihr Frieden, Freiheit und Brot, dann haltet zur Fahne rotweißrot!“ Daraufhin kam es zu Ausschreitungen und Verhaftungen, das Match stand kurz vor dem Abbruch. Als die deutschen Spieler nach dem 15:6-Sieg das Stadion verließen, wurde sie vom deutschfeindlichen Teil des Publikums beschimpft, von den Zuschauern aus dem faschistischen Lager aber bejubelt. Berittene Polizei musste eingreifen.

Als Kondensat politischer Konflikte stellten sich ebenfalls viele deutsch-deutschen Handball-Duelle während des Kalten Krieges heraus. Aufgeheizt von der Atmosphäre beim Europapokalspiel 1975 zwischen Frankfurt/Oder und dem VfL Gummersbach, wandelte sich selbst Günter Gaus, der damalige Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR, zu einem fanatischen Zuschauer: „Ich habe mein Lebtag noch nicht so gebrüllt.“ Die wohl emotionalste Auseinandersetzung dieser Epoche zwischen der Bundesrepublik und der DDR spielte sich jedoch in der Olympia-Qualifikation für Montreal 1976 ab. Bereits das Hinspiel am 20. Dezember 1975 in der Münchner Olympiahalle war von der Sportpresse als „Spiel des Jahres“ hochgejazzt worden; 100 000 Karten, hieß es, hätten damals verkauft werden können. Aber auch die 10 500 Zuschauer entfachten eine feindselige Stimmung: Sie pfiffen den Gegner aus der DDR bei jeder Aktion gnadenlos aus, und das entrückte Publikum johlte, wenn die Stars aus Rostock, Leipzig und Berlin daneben warfen. Nach dem sensationellen 17:14-Sieg der BRD wurde Trainer Vlado Stenzel, obwohl noch nichts entschieden war, bereits auf den Schultern davongetragen.

Zum absoluten Höhepunkt wurde dann das Rückspiel am 6. März 1976 in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz: „Uns schlug eisiger Wind entgegen, als wir in die umfunktionierte Eissporthalle kamen. Alles, was westdeutsch war, wurde von Anfang an niedergeschrien“, berichtete Stenzel später. „Selten wohl ist einem Hallenhandballspiel verbissener und verbitterter gekämpft worden. 4000 ausgesuchte Zuschauer buhten und pfiffen alles nieder, was westdeutsch war: Klassenkampf auf dem Parkett. „Es war kein Spiel, eher ein physischer und psychischer Schlagabtausch“, schrieb ein westdeutscher Journalist. Den Siebenmeter, den der Großwallstädter Torwart Manfred Hofmann von Hans Engel in der letzten Spielsekunde beim Stand von 8:11 parierte und so die Olympia-Qualifikation sicherte, zählt heute zu den wenigen Mythen der deutschen Handballgeschichte.

Am Dienstag wird die Atmosphäre weitaus freundschaftlicher sein, trotz der enormen Rivalität unter den dänischen und deutschen Nationalspielern. DHB-Präsident Strombach richtet den Blick derweil schon auf die nächste sportpolitische Mission: Für Anfang Mai ist die deutsche Handball-Nationalmannschaft zu einem Länderspiel in Israel eingeladen – der israelische Handballverband wollte sein Jubiläum unbedingt mit deutschen Stars wie Frank von Behren, Henning Fritz und Christian Zeitz begehen.

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