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Sport: Ein Präsident in Nöten

Der Skandal in Italiens Fußball weitet sich aus

Rom . Mit unerschütterlichem Gleichmut hat Franco Carraro im Laufe seiner über 40-jährigen Laufbahn als Sportfunktionär viele brenzlige Situationen gemeistert. Doch nun droht der Präsident des italienischen Fußballverbandes über den Skandal um gefälschte Bankbürgschaften zu straucheln.

Carraro, der auch schon Bürgermeister von Rom und Präsident des AC Mailand war, steht vor einem Trümmerhaufen. Regierungsmitglieder der Nationalen Allianz verlangen öffentlich seinen Rücktritt und fordern, den Fußballverband unter kommissarische Verwaltung zu stellen. Carraro konnte seinen Chefposten nur mit der Hilfe von Ministerpräsident Silvio Berlusconi retten. Der Reigen der Hiobsmeldungen, für die Carraro mitverantwortlich ist, reißt nicht ab. Der in die Dritte Liga abgestiegene Klub Catania verlangte per Gericht den Wiederaufstieg und erhielt Recht, weil in der letzten Saison Konkurrenzklubs nur mit Verstößen den Klassenerhalt schafften. Formell besteht nun die Zweite Liga aus 21 Klubs, die Spielpläne wurden nur für 20 Vereine erstellt.

Kurz danach wurde publik, dass der AS Rom und der SSC Neapel mit gefälschten Bankbürgschaften ihre arg defizitären Bilanzen wieder ins Lot gebracht hatten. Ein klarer Verstoß gegen die Bilanzrichtlinien. Atalanta Bergamo und Catania verlangen nun die Plätze vom AS Rom und SSC Neapel in der jeweiligen Liga. Darüber hinaus ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs und Urkundenfälschung. Der Sekretär der Bilanzprüfungskommission des Verbandes, Gabriele Turchetti, und ein Mitarbeiter sollen Klubs gegen entsprechende „Provision“ auf „Auswege aus der Finanzmisere“ hingewiesen haben. Ein Mittelsmann brachte rund eine Million Euro auf ein Schweizer Konto. Die Staatsanwaltschaft untersucht nun, wem das geheime Konto gehört.

Saisonstart wie geplant

Auch die Echtheit von Bürgschaften, die in vergangenen Jahren von angeschlagenen Klubs vorgelegt wurden, wird nun angezweifelt. Sollte die Vorlage von gefälschten Bankbürgschaften gängige Praxis gewesen sein, wäre nach Ansicht der Staatsanwaltschaft der „Tatbestand der kriminellen Vereinigung“ erfüllt. Bekannt wurde auch, dass andere Klubs die Beiträge an die Kranken- und Rentenversicherung der Profispieler nicht bezahlt und dafür einen unzulässigen Aufschub erhalten haben.

Trotz des Chaos soll der Saisonstart in den beiden Profiligen wie geplant am letzten Augustwochenende stattfinden. Zuletzt war auch über eine Verlegung diskutiert worden. Der Grund hierfür war aber nicht der Finanzskandal, sondern der Wechsel der Fernsehrechte. Die Fans müssen noch auf neue Decoder umrüsten und die neuen Sender ihre Infrastruktur aufbauen.

Das zuständige Nationale Olympische Komitee Italiens (Coni) lehnte einen Antrag ab, den Fußballverband unter kommissarische Verwaltung zu stellen. Carraro bleibt also im Amt. Coni-Präsident Gianni Petrucci verlangte allerdings einen radikalen Wechsel im italienischen Profifußball, der durch seine Totoeinnahmen den gesamten italienischen Sport finanziert. „Fußballchaos, Fußballskandal – wir können nicht so weitermachen“ sagte Petrucci. Ein Ultimatum an Carraro, gegen den mittlerweile ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Carraro bleibt gelassen: „Ich habe viele Ermittlungen über mich ergehen lassen müssen, am Ende wurde ich immer freigesprochen.“

Vincenzo Delle Donne

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