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Sport: Ein Profi soll bei Tennis Borussia für mentale Stärke sorgen

Was will ein Fußballspieler der Öffentlichkeit sagen, wenn er im Vereins-Sonderheft über sich Auskunft gibt? Die Zweitligaspieler von Tennis Borussia zum Beispiel, die sich mit der Rubrik "Das möchte ich können" auseinander setzen mussten.

Was will ein Fußballspieler der Öffentlichkeit sagen, wenn er im Vereins-Sonderheft über sich Auskunft gibt? Die Zweitligaspieler von Tennis Borussia zum Beispiel, die sich mit der Rubrik "Das möchte ich können" auseinander setzen mussten. Sasa Ciric, Enrico Kern und Toni Micevski taten dies gemeinsam, denn sie antworteten unisono: "Fliegen". Marco Walker bewies viel Fantasie, der Verteidiger will künftig "die Tiere verstehen". Falls ihm das gelingt, könnte er sich sogar mit Andreas Hilfiker unterhalten. Der Torhüter will eines können: "Hüpfen wie ein Känguru."

Das sind doch etwas unrealistische Ziele, die sich so die Spieler von Tennis Borussia gestellt haben. "Nicht so gut formuliert", findet auch Thorsten Volmer, "aber man soll so einen Fragebogen nicht überbewerten." Der Mann weiß, wie Ziele formuliert werden sollten, schließlich ist er seit dieser Saison beim Zweitligisten dafür zuständig. Genauer: Für die "Ausrichtung auf ein gemeinsame Ziel". Thorsten Volmer ist seit dieser Saison als Mentaltrainer bei Tennis Borussia engagiert. Trainer Winfried Schäfer erklärt: "Die Öffentlichkeit und wir haben uns zum Aufstiegsfavoriten gestempelt. Herr Vollmer hilft uns, damit die Jungs mit diesem Druck umgehen lernen."

Also versammelt Vollmer seit sechs Wochen Spieler, Trainer und Betreuer in unregelmäßigen Abständen in einem Nebenzimmer des Mommsenstadions und versucht ihnen positives Denken näher zu bringen. Sogar der Physiotherapeuth und die Betreuer dürfen bei der Motivationsstunde nicht fehlen. "Wenn nur einer am Aufstieg zweifelt, kann sich das auch auf die Spieler übertragen", erklärt Vollmer. Wie aber vermittelt man positives Denken und Selbstvertrauen? Müssen Ciric, Rösler und Copado über Scherben laufen, wie die Spieler von Bayer Leverkusen im vergangenen Jahr?

"Scherbenlaufen ist nur eine Metapher für: Das kann ich auch", erklärt Vollmer. Der 37-Jährige, der Seminare zur Management und Persönlichkeitsentwicklung anbietet, will nicht "ein oder zwei Tricks" anbieten, sondern kontinuierlich mit der Mannschaft arbeiten. Neben Körper- und Atemübungen zählt viel Reden zu seinen Mitteln. So hat er das Ziel "Aufstieg" umformuliert in: "Wir wollen 20 Spiele gewinnen." Seitdem schreibt Kapitän Walker mit einem Filzstift nach jedem Spiel im Kabinengang den aktuellen Stand auf. Seit Freitag heißt das: Nur noch 18. Ein abstraktes Ziel wie der Aufstieg wird dadurch vor jedem Spiel konkret. Auch in Einzelgesprächen sollen die Akteure zu Selbstvertrauen kommen. "Ich spreche zu Spielern mit Blockaden ", sagt Volmer, "zum Beispiel, wenn jemand denkt, ich habe in der Ersten Liga gespielt, dann geht es in der Zweiten Liga leichter." Auch gegen den Spott bei Auswärtsspielen, wo zuletzt die Zuschauer "Scheiß-Millionäre" riefen, weiß Volmer einen Rat. "Das muss man in Motivation umwandeln."

Schäfer glaubt, dass in Zukunft mehr Mentaltrainer im bezahlten Fußball beschäftigt werden. "Bei großen Firmen ist das gang und gäbe". Zwar nennt sich Volmer auch Motivationstrainer, doch dieses Wort hört Schäfer nicht gerne. "Wenn ich bei Tennis Borussia die Möglichkeit habe, in die Erste Liga aufzusteigen, dann muss ich nicht motiviert werden." Dass Berufsfußballer eigentlich sowieso motiviert sein sollten, läßt Volmer nicht zählen: "Ich motiviere auch Manager, und die verdienen manchmal mehr als Fußballer."

Am Anfang stieß Vollmer in der Mannschaft auf Skepsis. Doch immerhin einer scheint seine Forderung nach realistischeren Zielen bereits verstanden zu haben. Marko Tredup ergänzt im Saisonheft den Halbsatz "Das möchte ich können" mit "Fußball spielen."

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