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Sport: Ein Schwung für die Telefonzelle

Profigolfer Jim Furyk gewinnt überraschend die US Open

Olympia Fields. Richtig brenzlig wurde es für Jim Furyk eigentlich nur am elften Loch. Plötzlich schlich sich aus dem Hintergrund eine Flitzerin an. Sicher der falsche Zeitpunkt, um Furyk um ein Autogramm zu bitten. Vom Verstoß gegen die Kleiderordnung ganz zu schweigen. Sicherheitsleute stoppten den weiblichen Fan. Die Oben-Ohne-Lady lachte, Furyk schüttelte den Kopf. Danach ging der in Führung liegende US-Amerikaner wieder an die Arbeit. Voller Konzentration, den größten Triumph seiner Laufbahn vor Augen. Der Schlusstag der 103. US Open gehörte dem Golfer mit dem unorthodoxen Schwung. Furyk war am Sonntag mit drei Schlägen Vorsprung auf die letzte Runde gegangen. Gefolgt vom australischen Nobody Stephen Leaney, Nummer 55 der Weltrangliste. Doch Furyk konterte alle Angriffe. Nervenstark wie brillant. Am letzten Loch konnte sich der 33-Jährige sogar den Luxus von drei Puttversuchen aus 14 Metern leisten. Der abschließende Bogey spielte keine Rolle. Furyk ließ den Schläger fallen und riss beide Arme in die Höhe. Sekunden für die Ewigkeit.

Als erstes umarmte der neue Champion seinen Caddie Mike Cowan, der einst die Schläger von Tiger Woods trug. Danach ging Furyk an den Rand des Grüns, wo seine Frau mit der einjährigen Tochter wartete. Vater und Mutter komplettierten das emotionale Gruppenbild, und im Hintergrund feierten die Fans den Überraschungs-Sieger mit Ovationen. „Dies ist ein derart spezieller Moment, er geht sogar über das Erträumte hinaus“, sagte Furyk, der den besonderen Erfolg ausgerechnet am Vatertag erzielte und unter Tränen verkündete: „Ein gigantisches Geschenk". Schließlich hat Vater Mike Furyk den Sohn ausgebildet. Mit 272 Schlägen (67+66+67+72) auf dem Par-70-Kurs des Olympia Fields Country Club südlich von Chicago trug sich der US-Amerikaner in die Rekordbücher ein. Nur Tiger Woods, Jack Nicklaus und Lee Janzen konnten in der 103-jährigen Geschichte der US Open eine derart niedrige Schlagzahl erzielen. Eine Million Dollar erhielt der Sieger.

„Hut ab, er hat konstant gespielt", sagte Tiger Woods. „Ich bin glücklich und traurig zugleich“, sagte der Zweitplatzierte Stephen Leaney, „ich hatte mir große Chancen ausgerechnet, aber Jim hat mich auf Distanz gehalten.“ Hinter dem Australier (67+68+68+72=275), der 650 000 Dollar kassierte, erreichten nur noch Kenny Perry (72+71+69+67=279) und Masters-Sieger Mike Weir (73+67+68+71=279) ein Ergebnis unter Par. Unter der glühenden Sonne wurden die Grüns schnell und der Kurs unberechenbar. Für Tiger Woods war das Turnier quasi schon am Samstag vorbei. Mit einer enttäuschenden 75er-Runde verabschiedete sich die Lichtgestalt aus dem Favoritenkreis. 283 Schläge (70+66+75+72) reichten nur zu Rang 20. „Wenn man schlecht spielt, ist es einsam da draußen", sagte der Weltranglistenerste. „Ich habe meinen Rhythmus nicht gefunden." Krise, Tief, Einbruch? Vier Major-Turniere in Folge ohne Sieg, erstmals seit 1999 ist der 27-Jährige bei keinem der Majors mehr Titelverteidiger. Der Anhausener Bernhard Langer (70+70+73+73=286/41. Rang) und der Münchner Alex Cejka (73+66+76+77=292/60. Rang) konnten am Ende froh sein, dass sie noch den Cut geschafft hatten.

Furyk vor Leaney und Perry – mit diesem Ausgang hätte wohl kein Experte gerechnet. „Mein Name ist nun für immer auf der Trophäe, neben den von Giganten des Golfs", sagte der neue Champion strahlend, „dies kann mir keiner mehr nehmen. Dies ist ein ganz besonderes Gefühl." Ein Ende dürften damit die Witzeleien über die seltsame Schwungtechnik des US-Open-Siegers haben. Ein US-Reporter hatte einmal den Vergleich mit einem einarmigen Mann angestellt, der „in einer Telefonzelle versucht, eine Schlange zu töten“.

Stefan Liwocha

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