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Zärtlich in Paris. Die Chinesin Li Na nähert sich dem Siegerpokal der French Open an. Foto: dpa

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Sport: Ein Sieg für 50 Millionen

Li Na bezwingt in Paris Francesca Schiavone und holt als erste Asiatin einen Grand-Slam-Titel

Manche Frauen reagieren empfindlich, was das eigene Alter betrifft. Vor allem, wenn es eine gewisse Grenze überschritten hat. Auch Sportlerinnen vermeiden dieses sensible Thema dann lieber, erinnert es sie doch schmerzlich daran, dass ihre Karriere nicht ewig andauern wird. Aber Francesca Schiavone und Li Na konnten den Fragen dieses Mal nicht ausweichen, denn als sie am Samstagnachmittag den Court Philippe Chatrier betraten, hatte es in der Geschichte der French Open nur ein Endspiel gegeben, in dem die beiden Finalistinnen noch älter gewesen waren als sie. Zusammen brachten es Schiavone und Li Na auf 60 Lebensjahre. Und es sollte die jüngere Li Na sein, die am Ende mit 6:4 und 7:6 gewann.

Für Schiavone war das keine Frage des Alters. „Ich sehe das so“, stellte sie klar, „es ist wie bei gutem Rotwein. Je länger der in der Flasche reift, umso besser wird er.“ Der Italienerin war im letzten Jahr mit fast 30 Jahren ihr erster Grand-Slam-Sieg in Paris gelungen und sie hatte damit eine ganze Nation verzückt. „Ich bin nicht alt“, hatte auch Li Na lachend betont, „wir wissen einfach mit den Jahren endlich, was wir auf dem Platz machen müssen.“ Bei Li Na war auch erst mit Ende 20 der Knoten geplatzt. Sie zog im Januar in Australien erstmals in ein Grand-Slam-Endspiel ein. Das hatte noch keine Asiatin vor ihr geschafft. Damals war die Chinesin noch an Kim Clijsters gescheitert, an diesem Tag aber sollte das Rendezvous mit der Geschichte klappen.

„Ich habe es geschafft, mein Traum ist wahr geworden“, freute sich Li Na und scherzte: „Endlich, ich bin ja auch schon sehr alt.“ Geschätzte 50 Millionen Landsleute hatten das Endspiel im Fernsehen verfolgt, und sie sahen eine Weltranglistensiebte in der wohl besten Form ihrer Karriere. Mit enormem Selbstbewusstsein hatte Li Na von Beginn an das Geschehen diktiert und das so gefürchtete, gewitzte Spiel Schiavones erst spät im zweiten Satz überhaupt zugelassen. Die Italienerin kämpfte mit viel Herz, wie sie es immer tut, und sie hätte nur zu gerne einen weiteren magischen Moment an jenem Ort erlebt, der ihr seit frühester Jugend alles bedeutet. Doch sie war chancenlos gegen Li Na, die selbst mit ihren schwierigen, unterschnittenen Slice-Bällen keinerlei Probleme hatte.

In allen Belangen war die Chinesin überlegen und dabei enorm flink auf den Beinen. Sie schickte Schiavone von einer Seite des Platzes zur anderen und schloss dann meist eiskalt ab. Ihre Aufschlagquote war konstant hoch, nur ein Break ließ sie zu. Aber erst seit einigen Wochen ist Li Na überhaupt in der Lage, auf diese Art zu spielen. Denn bisher hatte dieChinesin stets an sich gezweifelt, oft mit sich gehadert. Auch ihr Ehemann Jiang Shan war da keine Hilfe, der zum Saisonbeginn ihr Training übernommen hatte. Vor vier Wochen sagte Li Na ihm: „Schatz, du bist entlassen.“ Fortan war Jiang Shan nur noch ihr Trainingspartner, sie arbeitete mit dem ehemaligen dänischen Fed-Cup-Kapitän Michael Mortensen zusammen. „Er hat mir viel Vertrauen gegeben“, lobte Li Na, „und er sagte mir, dass ich auch mal Fehler machen darf.“

Im Finale von Paris machte sie kaum welche und nur der unbändigen Willenskraft Schiavones war es wohl geschuldet, dass der zweite Satz überhaupt noch einmal eng wurde. Sie verteidigte ihren Titel mit allem, was sie hatte. Doch das war nicht genug. „Der Sieg im letzten Jahr hat mich mit voller Wucht getroffen“, erinnerte sie sich, „jetzt kann ich es mehr genießen, ich bin stolz auf mich. Auch wenn es schmerzt.“

Ein bisschen Pech hatte Schiavone dann auch noch, als die Schiedsrichterin im zweiten Durchgang einen engen Ball beim 6:5 gegen sie entschied, der einen Satzball bedeutet hätte. Stattdessen ging es in den Tiebreak und der wurde einseitig: Li Na gewann überlegen mit 7:0. Dann sank sie auf der roten Asche von Paris zusammen und blieb einen Moment ausgestreckt liegen. Nicht aus Altersschwäche, das Glück hatte sie einfach überwältigt.

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