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Sport: Ein Sieg für Afrika

Ghana gewinnt erstmals bei einer WM

Der eigene Torwart geriet ein wenig in Vergessenheit nach jenem denkwürdigen Sieg Ghanas. Michael Essien, Ghanas Mittelfeldstar vom FC Chelsea, hatte sich nämlich das gelbe Trikot des tschechischen Torwarts übergestreift und sprach von dessen „großartiger Leistung“. Tatsächlich hatte Petr Cech in seinem Arbeitsraum hart geschuftet und ein Debakel für Tschechien verhindert. Doch Essiens eigenem Schlussmann Richard Kingston gebührte ähnliches Lob. Es stand schon 2:0 für Ghana, die 92. Spielminute lief, als der Mann vom türkischen Klub Ankaraspor zweimal hintereinander mit unglaublichen Reflexen ein Gegentor verhinderte. Diese Kleinigkeit ist deshalb erwähnenswert, weil Ghana selbst leichtfertig größte Chancen vergeben hatte, um das Spiel noch höher zu gewinnen. Nun entscheidet in der engen Gruppe E womöglich das Torverhältnis über den Einzug ins Achtelfinale, allerdings reicht Ghana ein Erfolg über die USA zum Weiterkommen.

Aber was sind schon ein paar verschenkte Tore, wenn man gerade Sportgeschichte geschrieben hat und der Blick plötzlich weit wird für das Große und Ganze. Die ghanaischen Spieler waren sich der Bedeutung dieses herrlichen Sommerabends bewusst, denn es war für Ghana der erste Sieg bei einer Weltmeisterschaft. Man muss sich immer mal wieder vergegenwärtigen, dass ausgerechnet das älteste Fifa-Mitglied des afrikanischen Kontinents, selbst viermal Afrikameister, sich noch nie zuvor hatte qualifizieren können für das wichtigste aller Fußballturniere. Dabei hatte man gedacht, dass nach dem Gewinn der U-17-Weltmeisterschaft 1991 endlich wieder ein goldenes Fußball- Jahrzehnt für Ghana anbricht.

Da es in der Geschichte jedoch selten gerecht zugeht, fehlte am Samstag ausgerechnet der einzige Spieler, der von jenen Juniorenweltmeistern übrig geblieben ist. Samuel Kuffour war das Opfer seines eigenen Blackouts geworden. Im Spiel gegen Italien hatte er den Treffer zum 0:2 verschuldet, Trainer Ratomir Dujkovic ließ den 30-Jährigen diesmal auf der Bank.

Ob es nun am fehlenden ehemaligen Bayern-Verteidiger lag oder an der „viel besseren Einstellung“ des Teams, wie Dujkovic fand, Ghana spielte wie verwandelt. Diszipliniert und hochkonzentriert stand die Abwehr um Mensah und Shilla, das Mittelfeld wurde vor allem in der ersten Halbzeit mit langen Bällen überbrückt, die erstaunlicherweise fast immer bei den Stürmern ankamen. Die Tschechen hatten einen furchtbaren Tag erwischt und konnten die Ausfälle der verletzten Koller und Baros nicht kompensieren. Die Löcher im Rückraum aber hatten wohl eher etwas mit der grassierenden Verunsicherung zu tun, die die Tschechen nach dem schnellen 0:1 in der ersten Minute befallen hatte.

Bis das erlösende 2:0 acht Minuten vor Schluss fiel, inszenierten die afrikanischen Spieler, lautstark unterstützt vom deutschen Publikum („Steht auf, wenn ihr für Ghana seid“), ein temporeiches, technisch hochwertiges, aber auch sehr fahrlässiges Spiel. Beflügelt von der Führung und den geschockten Tschechen wirbelten Essien, Appiah und Muntari teilweise durch das gegnerische Mittelfeld, als seien dort nur ein paar Fahnenstangen befestigt, die man zu umspielen hat.

Hinterher aber konnte sich der Mainzer Otto Addo ein Grinsen auf die Frage nicht verkneifen, ob die Mannschaft sich nicht die Abseitsregel anschauen sollte. Addo erwiderte: „Einige schon.“ Tatsächlich waren die Afrikaner mindestens ein Dutzend Mal ins Abseits gelaufen, trotz mehrfachen Überzahlspiels gegen die dezimierten Tschechen, die nach der Roten Karte für Ujfalusi ab der 65. Minute nur noch zu zehnt waren.

Am Ende waren die Ghanaer dennoch „nur glücklich“, vermieden es aber, viel darüber zu reden. „Wir wissen, dass wir noch besser spielen können. Jetzt sind wir froh und feiern ein bisschen“, sagte Addo artig. Michael Essien bemühte ebenfalls das Glück und schaffte nach den Taten auf dem Feld auch verbal die Verbindung zur Geschichte. „Der Sieg ist nicht nur für uns wichtig, sondern für das ganze Land und vor allem für ganz Afrika.“

Manchmal aber holen einen die kleinen Dinge des Lebens zurück aus den Heldenwelten. Asamoah Gyan beispielsweise war zu unglücklich, um sich den Mantel der Geschichte umzuhängen. Ein Grund für Gyans Frust war seine zweite Gelbe Karte im Turnier, die ihn für das entscheidende Gruppenspiel sperrt. Ansonsten hatte Gyan zwar ein Tor geschossen und gut gespielt, aber er hatte auch einen Elfmeter und die meisten der Großchancen für sein Team vergeben. Doch weil Gyan seinem Land und natürlich auch ganz Afrika noch zu weiteren historischen Momenten verhelfen will, versprach er: „Ich gehe sofort wieder auf den Platz, um zu üben.“

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