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Sport: Ein Sieg ohne Gewinn

Klitschko ist nach dem Erfolg über Castillo so schlau wie vorher

Die güldenen Schnipsel, die zwei Konfettikanonen abgefeuert hatten, rieselten herab auf seinen nackten, schweißnassen Oberkörper. Im inszenierten Glitzerglanz sah Wladimir Klitschko aus wie ein Apoll. Der zwei Meter große Schwergewichtler aus Kiew reckte zum Zeichen seines Sieges seine kräftigen Fäuste Richtung Hallendach. Eine imposante Geste. Klitschkos Gegner taumelte derweil benommen durch den Ring, die 12 000 Besucher in der Westfalenhalle kreischten, und der Sieger machte dazu ein Gesicht wie ein Kind, das unterm Weihnachtsbaum die Geschenke auspackt.

Dieser Eliseo Castillo, ein Exil-Kubaner aus Miami, war ein Geschenk für Klitschko. Nach viereinhalb Runden war es ausgepackt. Mit einer krachenden rechten Geraden schickte der 29 Jahre alte Klitschko seinen gleichaltrigen, aber viel leichteren und zwölf Zentimeter kleineren Gegner auf die Bretter. Castillo hatte es während des Kampfes nicht einmal probiert, sich ernsthaft zu wehren. Für den promovierten Sportwissenschaftler aus der Ukraine, der bei zwei schweren K.-o.-Niederlagen in 2003 und 2004 mehrmals durch den Ring gekrabbelt war, war es ein hübsches Comeback. Aber was ist es wert? Sicher ist nur, dass der frühere Weltmeister bei einer erneuten Niederlage seine Karriere als Berufsboxer hätte beenden können, ja wohl müssen. „Ich bin wieder da“, sagte der Sieger, der sich hinterher gewohnt charmant gab. Nur: Wieder da sein, ist das eine. Aber ist Wladimir Klitschko wieder so weit, Weltmeister zu werden?

„Die Frage ist, ob Wladimir mit diesem Kampf für sich etwas anfangen kann", sagte Ex-Weltmeister Henry Maske, „ich glaube, dass er danach nicht viel schlauer ist als vorher.“ Dass Wladimir Klitschko über eine einzigartige, natürliche Begabung verfügt, dass er boxerisch einer der besten Schwergewichtler überhaupt ist, war nie strittig. Doch nach seinen Niederlagen musste man an seiner mentalen Stärke und körperlichen Härte zweifeln. Gerade im Schwergewicht graben sich schwere Knockouts tief in die Seele der Gestrauchelten. Nach viereinhalb lockeren Runden gegen den zittrigen Castillo bleibt die Frage unbeantwortet, wie sich Wladimir Klitschko verhält, wenn er im Ring gegen einen hart schlagenden Gegner unter Bedrängnis gerät? „Es ist ja ganz witzig, hier mal der Held zu sein, aber er wird sich noch nicht wohl fühlen“, sagte Maske. „Wladimir ist noch nicht wieder der Kerl, der er mal war.“

Klitschkos Marketing-Abteilung teilt solcherlei Sorgen nicht. Die Bemühungen, die K2-Promotions (steht für beide Klitschkos), der Sportrechtevermarkter Sportfive und die ARD betrieben, grenzten fast schon an Personenkult. In der Halle hingen übergroße Porträts des Boxers von der Decke, im Rundgang gab es an unzähligen Ständen entsprechende Devotionalien zu kaufen, und in der „Klitschko-Lounge“ traf sich allerhand Prominenz, vornehmlich weibliche.

Während weit nach Mitternacht in einer Nebenhalle der „Ball der Polizei“ in seine letzte Runde ging, blieb Castillo verschwunden. Zuvor im Boxring hatte der Mann aus Havanna weit weniger Mut bewiesen als bei seiner Flucht vor zwölf Jahren in die USA. Sechs Tage und Nächte irrte er damals zusammen mit seinen Brüdern auf einem Floß auf hoher See zwischen Kuba und Florida.

In Dortmund dominierte Klitschko mit seiner linken Führhand den Kampf. Sie war erdrückend für Castillo, sie trieb ihn durch den Ring, bis er fiel. „Das war ein perfekter Kampf. Wladimir hatte die totale Kontrolle, den Gegner zermürbt und ihn mit einem Schlag niedergestreckt“, tönte Klitschkos Trainer Emanuel Steward. Für Steward ist klar: Sein Schützling wird wieder Weltmeister.

Die güldenen Schnipsel von Dortmund landeten zusammengekehrt in einem Müllsack.

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