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Sport: Ein Skandal kommt ins Rollen

Mindestens 60 Radprofis sollen in die spanische Dopingaffäre verwickelt sein

Eufemiano Fuentes hat vor ein paar Jahren nicht gerade einen schmeichelhaften Spitznamen bekommen. „Hexer von Gran Canaria“ hat eine spanische Zeitung den Arzt einmal tituliert, und das kam nicht von ungefähr: Fuentes hatte sich in zwei Jahrzehnten als Sportmediziner einen zweifelhaften Ruf erworben. Legendär ist die Geschichte, nach der er 1991 während der Spanien-Rundfahrt der Radprofis, der Vuelta, auf einem Flug von Mallorca nach Barcelona eine Kühltasche auf dem Schoß hatte und auf die Frage nach deren Inhalt geantwortet haben soll: „In der Tasche befindet sich der Schlüssel für den Gewinn der Vuelta.“ Eine derart freche Aussage würde sich Fuentes wohl nicht mehr leisten können, gestern wurde der als Schlüsselfigur eines der größten Dopingskandale in der Geschichte des Radsports geltende Mediziner in Madrid dem Haftrichter vorgeführt. Die Ermittler hatten bei der größten Doping-Razzia in Spanien ein Madrider Labor ausgehoben, das Radprofis mit präparierten Blutkonserven versorgt haben soll – auch die des Teams Liberty-Seguros. Teamchef Manolo Saiz hatte bei seiner Festnahme 60 000 Euro bei sich, mit denen er nach Vermutungen der Polizei eine Lieferung von Dopingmitteln bezahlen wollte.

Wenigstens 60 Radprofis und andere Sportler sollen in dem Madrider Labor Kunden gewesen sein. Eine Sondereinheit von Beamten nahm neben Fuentes und dem inzwischen wieder freigelassenen Saiz noch Laborchef José Luis Merino Batres, den Vizedirektor des Teams Comunidad Valenciana (früher Kelme), José Ignacio Labarta, und den ehemaligen Radsportler Alberto León fest. Die Verdächtigen sollen Radprofis in dem Labor Blut abgenommen, dieses mit roten Blutkörperchen angereichert und den Sportlern wieder injiziert haben. Der deutsche Profi Jan Ullrich dementierte spanische Medienberichte, wonach auch er mit dem Skandal zu tun haben könnte. Er habe nie mit Fuentes zusammengearbeitet, sagte Ullrich.

Spanien galt lange als Eldorado des Dopings, weil dort Gesetze und Kontrollen noch nicht so scharf waren wie andernorts. Das aber hat sich geändert: Im Februar wurde Roberto Heras, Star des Liberty-Teams, nach einem positiven Epo- Test für zwei Jahre gesperrt – der Sieg bei der Vuelta im Jahr 2005 wurde ihm aberkannt. Roland Augustin, Geschäftsführer der deutschen Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), ist von den Ausmaßen des Skandals in Spanien nicht überrascht. „Was man nun gefunden hat, bestätigt nur, was man seit längerem gemunkelt hat“, sagte Augustin dem Tagesspiegel. „Außerdem sehen wir uns in der Annahme bestätigt, dass Blutdoping wieder eine größere Rolle spielt.“ Die spanische Polizei, welche das mutmaßliche Dopinglabor in der spanischen Hauptstadt monatelang überwachte, ist angeblich im Besitz hunderter aufgezeichneter Telefongespräche und Videoaufnahmen, in denen Sportler, Betreuer und Funktionäre als potenzielle Dopingkunden auftauchen.

Erste Konsequenzen gibt es bereits: Der Versicherungskonzern Liberty Seguros hat seinen Sponsorenvertrag beim Rennstall gekündigt. Noch fünf Profis des Teams sind zurzeit beim Giro d’Italia unterwegs. Der Italiener Giampaolo, die beiden Spanier Osa, Ramirez und Navarro sowie der Holländer Koen de Kort wussten gestern nicht recht, was nach der Kündigung des Sponsors aus ihnen wird. Zum Teamkader von 28 Rennfahrern gehören auch Alexander Winokurow, einer der Favoriten für die Tour de France, und der Ansbacher Jörg Jaksche. Der Kasache Winokurow sagte: „Das ist unglaublich. Aber ich muss die Tour fahren. Ob mit oder ohne die Mannschaft von Liberty.“

Hartmut Scherzer[Claus Vetter], Ralph Schulze

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