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Sport: Ein Spiel in zwei Zeiten

Hertha zeigt gegen Bochum, was in Zukunft möglich ist – aber die Vergangenheit belastet noch

Berlin - Es gibt auch in der neuen Saison eine Frage, die Fredi Bobic nicht gerne hört. Als sie ihm am Samstagnachmittag gestellt wurde, drehte er sich um, machte eine wegwerfende Handbewegung und murmelte etwas sehr Unfreundliches. Eine Antwort gab der Berliner Stürmer jedenfalls nicht auf die Frage, wie er denn seine eigene Leistung einschätze.

Bobics Reaktion erklärt nicht viel, aber sie deutet zumindest an, dass die vergangene Saison bei Hertha BSC noch nicht ganz vergangen ist. Bobic schleppt wohl noch immer etwas mit sich herum, sonst hätte er die Frage nicht als Kritik verstanden. In der vorigen Runde war auch er oft verantwortlich gemacht worden dafür, dass Hertha BSC nicht offensiv genug spielte und bis zum vorletzten Spieltag im Abstiegskampf steckte.

Beim 2:2 am Samstag gegen den VfL Bochum schien Hertha BSC in zwei Zeiten zu spielen, in der Vergangenheit und in der Zukunft. Die erste Halbzeit gehörte eindeutig der Zukunft. Gilberto, der neue Brasilianer von Hertha BSC, öffnete mit seinem Tor gleich die Aussicht auf das, was möglich ist in dieser Spielzeit. Das Neue ist das Gute bei den Berlinern, und dazu gehört auf jeden Fall das Mittelfeld mit Gilberto und Spielmacher Marcelinho, der kurz vor der Pause ebenfalls einen Treffer erzielte.

Das Mittelfeld, besonders der brasilianische Teil davon, belebte das Spiel der Hertha, entschieden hat es die Begegnung aber nicht. Denn nach der Pause vergaben Gilberto und Marcelinho unmittelbar nacheinander zwei beste Torgelegenheiten. Danach ging es bei Hertha zurück in die Vergangenheit. Die Berliner verspielten den Vorsprung und stellten sich in den letzten zwanzig Minuten nicht besonders geschickt an. „Die hohen Bälle in die Mitte waren sicher das falsche Mittel. Wir müssen beim nächsten Mal einfach cleverer sein“, sagte Manager Dieter Hoeneß.

Es gehörte zu Herthas Spiel in zwei Zeiten, dass sich gerade die Berliner Stürmer nur selten in Szene setzen konnten. Fredi Bobic arbeitete sich in der ersten Halbzeit eine gute Chance heraus und scheiterte dabei knapp, Artur Wichniarek spielte sehr vielseitig, aber nicht torgefährlich genug. Wichniarek war nach einer enttäuschenden letzten Saison ein Gewinner der Vorbereitung. Doch erst durch gute Leistungen in mehreren Spielen kann er zeigen, was dieser Gewinn wert ist.

Trainer Falko Götz entschied sich, in der 66. Minute Nando Rafael für Wichniarek einzuwechseln. Es hätte den Berliner sicher gut getan, wenn ihren in der vergangenen Saison oft kritisierten Stürmern ein Treffer gelungen wäre. Doch im Angriff lebte die alte Zeit noch ein bisschen weiter an diesem Samstagnachmittag. Auch die Atmosphäre hätte besser sein können. Saniertes Olympiastadion, sonniges Wetter, erstes Saisonspiel – und doch kamen nicht mehr als 45 000 Besucher ins Stadion. Die leeren Sitzreihen erschienen wie Wunden, welche die vergangene Saison gerissen hatte.

Gut möglich, dass schon die Spielweise der Berliner heilende Wirkung hat. Siebzig guten Minuten standen jedenfalls nur zwanzig verwirrende gegenüber, aber sicher geglaubten drei Punkten am Ende nur einer. In den ersten siebzig Minuten haben die Berliner ihre jüngste Vergangenheit daher verjagen können. In der Schlussphase ließen die Berliner sie dann jedoch wieder näher an sich heran. Aber je länger die Saison dauert, desto mehr werden auch die Misserfolge der vergangenen Runde verblassen. Das könnte die Berliner aufmuntern, vielleicht sogar Fredi Bobic.

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